Serie Kunst trifft Kneipe

Die Volksstimme besucht die Kneipen, die sich erfolgreich gegen das Kneipensterben wehren. Den Anfang macht "The Station" in Burg.

Von Susanne Klose 05.03.2019, 00:01

Burg l Langsam klingen tiefe Gitarren-Akkorde durch den hohen, weiten Raum in der Bahnhofstraße. Sie schlängeln sich an den bemalten Wänden hoch, wabern über dem Fußboden vorbei an den rund 30 Gästen, die um Punkt 20 Uhr schon in der Station sitzen, stehen, reden. Es ist Open Stage Night: In Zusammenarbeit mit dem Verein Burg Pro Musik warten Gitarren, Schlagzeug, Bass und noch vieles mehr auf mutige Musiker, und die, die es vielleicht noch werden wollen.

Im glimmernden Schein der freihängenden Glühbirnen füllt sich die Bar immer mehr. Mittendrin: Betreiber Florian Kolmer. Der Fotograf bringt Haupstadtflair in die Kreisstadt. „Eigentlich wollte ich in Berlin eine Kneipe aufmachen“, erzählt der 45-Jährige. Nur die Mieten sind hoch, ein Betrieb müsse daher konstant geöffnet haben, um sich zu rentieren. „Ein Bekannter, der bei der Wobau in Burg arbeitet, hatte mich gefragt, ob ich nicht etwas mit Gastronomie in Burg machen wolle.“

Zur Laga startete der Fotograf dann in der Bahnhofstraße neben der Tourist-Info mit einer Nachmittagsbewirtung – Kaffee, Kuchen, Getränke. Drinnen schmückten Installationen des Berliner Künstlers Nomad, eine feste Größe in der Street Art Szene, den Raum. Blitze, Spermien, die auf eine Eizelle zurasen – nicht unbedingt Kleinstadt-Kunst.

Aber es funktioniert. Vielleicht genau deswegen. Denn die jüngere Klientel in Burg sprang sofort auf Kolmers Konzept an.

„Die Skater im Goethepark waren die ersten Stammkunden. Jedes Mal, wenn ich nicht geöffnet hatte, haben sie mir geschrieben“, erinnert sich der Berliner. Aus der Pop-Up-Bar, die eigentlich mit der Laga enden sollte, entwickelte sich ein eigenes gastronomisches Konzept, das freitags und samstags das Burger Nachtleben beleben soll.

Nach dem Ende der Laga blieb die Station vorerst geschlossen. Mitte Dezember dann die Wiedereröffnung, mit Theke, Cocktailkarte, Kicker – ein mutiger Schritt in Zeiten von massivem Kneipensterben und jugendlicher Landflucht. „Die Station ist eine Plattform, die gefüllt werden muss“, betont Florian Kolmer. Dafür sorgt auch der enge Kontakt mit den Gästen. „Ich hatte Florian einfach mal wegen einer Open Stage Nacht gefragt und er war direkt begeistert“, erzählt Kenny Dorn vom Verein Burg Pro Musik. So kam die Station zu ihrer ersten Jam-Session.

Ähnlich unkompliziert auch zu der Frau hinter der Bar – Stephanie Dorn. Eigentlich als Gast in der „Station“, hatte sie während der Laga einmal spontan bei der Bedienung ausgeholfen. Und blieb. „Florian hat mich dann gefragt, ob ich nicht die Bar für ihn machen wolle“, erinnert sich die gelernte Eventmanagerin. Für Ideen sei der Berliner immer offen. Auch das mache das Konzept besonders, das sich aber nicht nur an junge Leute richte. „Wir hatten hier auch schon einen 70. Geburtstag“, erzählt die Burgerin.

Was noch fehlt in der Kreisstadt? „Ein bisschen mehr Konkurrenz“, findet Florian Kolmer. Mehr Bars und Kneipen bringen mehr Gäste – für alle. „Burg war mal eine Kneipenstadt“, betont Stephanie Dorn. Dieses Flair, das belebte Nachtleben, ein Hauch mehr Feierluft, das wünschen sie sich zurück, nicht nur für die Station.

Florian Kolmer ist sich sicher: „Gentrifizierung ist das Beste, was der Stadt passieren kann. Es ist schön, wenn ich das Lebensgefühl zu den Anfangszeiten der Berliner Clubszene nach Burg bringen kann.“