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Sexuelle Belästigung Überraschung im Gerichtssaal

Der Prozess wegen sexueller Belästigung von Schülerinnen geht in Burg weiter. Viele Vorwürfe seien laut Verteidiger nicht strafbar gewesen.

Von Thomas Pusch 01.12.2020, 00:01

Burg l Für das Ende des Verhandlungstages im Prozess gegen den Leiter einer Sekundarschule im Jerichower Land hatte dessen Verteidiger am Montag Gesprächsbedarf angekündigt. Angeklagt ist der Schulleiter wegen sexueller Belästigung. Fünf Schülerinnen soll er in insgesamt acht Fällen an den Po gefasst, ihn geknetet oder auch gekniffen haben. Und das im Zeitraum zwischen Februar 2016 und April 2018. Genau dieser Zeitraum ließ ihn folgenden Satz sagen: „Die Anklage hat sich aus recht- lichen Gründen in weiten Teilen erledigt“. Sein Mandant sei wegen der sexuellen Belästigung angeklagt. Der Paragraph, der dies unter Strafe stellt, sei aber erst im November 2016 in Kraft getreten. „Durch das Rückwirkungsverbot dürfen Taten, die davor geschehen sind, nicht geahndet werden“, sagte er. Seinem Plädoyer wolle er nicht vorgreifen, aber nach den Aussagen habe es für ihn ohnehin gar keine Taten gegeben. Er wolle aber niemandem einen Vorwurf machen, auch ihm sei dieser Umstand erst aufgefallen, als er mit dem Arbeiten an seinem Plädoyer begonnen hatte. Die Staatsanwältin räumte ein, dass mehrere Taten vor dem November 2016 geschehen sein sollen, daher nicht bestraft werden könnten. Beim Erstellen der Anklageschrift sei aber nicht bekannt gewesen, zu welchem Zeitpunkt genau sich die einzelnen Übergriffe abgespielt haben sollten.

Zuvor hatte eine ehemalige Klassenlehrerin ausgesagt, an die sich drei Schülerinnen im Oktober 2016 gewandt hatten. „Sie erzählten mir, dass der Schulleiter sie im Sportunterricht unfein anfassen würde, was ihnen unangenehm sei“, sagte die 58-Jährige. Zunächst habe sie den Siebtklässlerinnen erklärt, dass es durchaus mal passieren könne, dass ein Lehrer bei einer Hilfestellung anfasst, wo er nicht hinwill, doch die drei Mädchen hätten erklärt, dass dies absichtlich, manchmal auch im Vorbeigehen passiere. Das habe sie sich überhaupt nicht vorstellen können, sei mit der Situation überfordert gewesen. Dann habe sie sich an ihre Stellvertreterin gewandt, die ihr geraten habe, nichts zu unternehmen, „ich kümmere mich darum“.

Da sich die Klassenlehrerin kurz danach einer Operation mit anschließender Rehamaßnahme unterziehen musste, war sie nach eigener Aussage für mehrere Monate aus dem Schulgeschäft gewesen. Als sie im Februar 2017 wieder zurückkam, sei das Thema nicht mehr angesprochen worden, weder von den Schülerinnen, noch im Kollegium. Sie selbst habe aber immer mehr das Gefühl gehabt, dass ihr in der Schule übel mitgespielt werde, nicht nur vom Leiter, auch von Kollegen. Nach der Rückkehr nach einer weiteren Operation sei das richtig massiv geworden. Ihr sei dann von medizinischer Seite dringend geraten worden, die Schule zu wechseln, um ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Das tat sie dann auch.

Vorher hatte sie mit der Schulrätin und dem Lehrerbezirkspersonalrat gesprochen. Über die Vorwürfe gegen den Schulleiter habe sie da aber noch kein Wort verloren. Erst nachdem sie von einer anderen Kollegin gehört hatte, dass es ähnliche Fälle an einer ehemaligen Schule des Angeklagten gegeben hatte, entschloss sie sich dazu, auch darüber zu sprechen.

Eine weitere Lehrerin sagte aus, von gewissen Berührungen im Sportunterricht im Elterngespräch mit einer Mutter erfahren zu haben. Sie habe ihr dann dazu geraten, das Gespräch mit dem Schulleiter zu suchen. Sie selbst habe dann mit dem stellvertretenden Schulleiter, der sich um die Angelegenheit kümmern wollte, und auch dem Schulleiter gesprochen – ohne Ergebnis. „Mit dem Schulleiter würde ich wohl nicht noch einmal sprechen, wenn ich wieder in der Situation wäre“, meinte sie.

Ein 19-jähriger ehemaliger Sekundarschüler, der mittlerweile eine Ausbildung begonnen hat, schilderte schließlich in seiner Aussage, wie ihm eine Freundin erzählte, vom Schulleiter an den Po gefasst worden zu sein. Zusammen mit einem weiteren Freund seien sie dann zum stellvertretenden Schulleiter gegangen. Dort sollen dann Sätze wie „Wir kennen doch den Herrn“, gefallen sein. „Als Schulleiter kann man sich so etwas doch nicht herausnehmen“, zeigte sich der 19-Jährige noch immer erbost.

Der Prozess wird am kommenden Montag, 7. Dezember, um 9 Uhr fortgesetzt. Dann sind weitere Lehrer als Zeugen geladen. Für den sechsten Prozesstag am 14. Oktober sind die Plädoyers vorgesehen, dann soll auch das Urteil gesprochen werden.