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Tongrubenprozess Viel Kunststoff, wenig Erde

Gestunken hat es vor dem Stendaler Landgerichtes. Auf dem Parkplatz standen 31 Fässer mit Müllproben aus der Möckeraner Tongrube.

Von Franziska Ellrich 04.09.2016, 06:00

Stendal/Möckern l Kunststoff, Holz, Papier – all das war am Donnerstag in den Müllproben aus der Tongrube in Möckern zu erkennen. Sechs Angeklagten wird vorgeworfen, illegal mehr als 170 000 Tonnen hausmüllähnlichen Abfall in der Grube in Möckern verfüllt zu haben. Dabei ist in der Anklage von einem sehr hohen organischen Anteil die Rede, der jede Menge umweltschädlichen Schwefelwasserstoff bildet.

Zur Verantwortung dafür werden bereits seit genau 41 Verhandlungstagen die damaligen Tongruben-Betreiber, zwei Vorabeiter, der Abfallbeauftragte und ein Niederlassungsleiter gezogen. Am Donnerstag sollten jetzt die Proben von Bohrungen in der Tongrube beweisen, welche Art Müll dort tatsächlich gelandet ist. In den Fässern befand sich der Abfall aus verschiedenen Tiefen und damit aus unterschiedlichen Jahren. In der Anklage geht es um den Zeitraum 2005 und 2006. Denn zu diesem Zeitpunkt galt ein neues Gesetz, das für die Verfüllung von Tongruben nur noch vor allem mineralisches Material wie Bauschutt, Erde und Steine erlaubte.

Der Müll In den Fässern machte allerdings einen anderen Eindruck: Jede Menge kleingeschreddeter Kunststoff kam dort zum Vorschein. Staatsanwalt Thomas Kramer im Prozess: „Das ist eindeutig kein Baumaterial, sondern Abfall, der schon augenscheinlich die Kriterien nicht erfüllt.“

Die Verteidiger interessierten sich allerdings weniger für den Müll, sondern wollten von dem Gutachter ganz genau wissen, wie er zu seinen Ergebnissen kommt. Ein Analyse-Ergebnis soll lauten: Der Glühverlust des Mülls – also der organische Anteil – liegt bei mehr als 30 Prozent. Dabei hätten fünf Prozent nicht überschritten werden dürfen. Wie der Sachverständige den Müll ausgewertet hat? Erst wurde gesiebt, dann alle größeren Teile fein säuberlich in die verschiedenen Fraktionen wie Glas, Holz, Textilien und Kunststoffe sortiert.

Der Verteidiger Ulrich Koehler erklärt auf Volksstimme-Nachfrage, warum das Gutachten für ihn fraglich ist: Einerseits würden die Proben einzelner Bohrlöcher auf die gesamte Fläche der Tongrube hochgerechnet. Andererseits sei es heute nicht mehr konkret nachvollziehbar, wo genau der Müll aus dem Anklagezeitraum gelandet ist. Dass der Müll trotzdem ganz genau vor dem Landgericht begutachtet wurde, findet Rechtsanwalt Koehler für die Verhandlung wichtig. „Das Gericht muss letztlich entscheiden, ob das, was dort eingelagert wurde, dem strafrechtlichen Abfallbegriff entspricht.“ Denn der unterscheide sich gegebenfalls von den verwaltungsrechtlichen Vorschriften.

Und dann bleibt Koehler zufolge noch die Frage zu klären, ob vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt wurde. Konnten die Verantwortlichen bei jeder einzelnen Lieferung erkennen, ob es sich zum Beispiel um Bauschutt handelt oder eben nicht. Koehler dazu: „Mülltüten, Bilder, Tapeten – das kann alles von einer Baustelle kommen.“