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Tongrubenprozess Wer sind die Angeklagten im Müllskandal?

Am Donnerstag wurde vor dem Landgericht der Prozess um den verfüllten Hausmüll in der Tongrube Möckern eröffnet.

Von Franziska Ellrich 04.09.2015, 11:14

Möckern/Stendal l Mehr als 170 000 Tonnen hausmüllähnlicher Gewerbeabfälle sind zwischen 2005 und 2006 in der Tongrube Möckern gelandet. Müll mit einem hohen organischen Anteil, der bereits eine Menge Schwefelwasserstoff gebildet hat. Weder Kunststoff, Papier noch Sperrmüll hätte auf diesem Weg in der Grube enden dürfen. Weil Schwefelwasserstoff nachhaltig Gewässer, Luft und Boden gefährden, ungesund und sogar tödlich wirken kann, sind Gefahrenabwehrmaßnahmen in zweistelliger Millionenhöhe nötig. Zehn Jahre später kommt es jetzt endlich zu einem Prozess, in dem sechs Verantwortliche angeklagt sind. Am Donnerstag war Auftakt vor dem Landgericht Stendal. Doch wer sind die Männer hinter dem Müllskandal?

Der 68-jährige Stefan S. war zum Tatzeitpunkt Geschäftsführer sowohl der insolventen Sporkenbach Ziegelei, Betreiberin der Tongrube, als auch der HRH Recycling GmbH, Betreiberin der Abfallsortieranlage. Laut Staatsanwältin Iris Benzel habe er den gesamten operativen Bereich geleitet. Dass Stefan S. bewusst die ungenehmigten Abfälle verfüllen lassen hat, daran bestehen der Anklageschrift zufolge keine Zweifel. „Das planvolle Vorgehen war allein an der Steigerung der Gewinne orientiert“, so die Staatsanwältin.

Genau wie die anderen fünf Angeklagten lässt sich S. nicht auf eine Stellungnahme gegenüber der Vorsitzenden Richterin am Landgericht ein. Stefan S. war offiziell der Sporkenbach Ziegelei-Geschäftsführer, doch faktisch übernahm diese Aufgabe Edgar E.

Edgar E. lebt heute in Berlin. Vor zehn Jahren war der jetzt 59-Jährige im Jerichower Land zu Hause und der faktische Geschäftsführer. Das bedeutet, dass E. im Einverständnis mit allen Gesellschaftern die Stellung der Geschäftsführung eingenommen und praktiziert hat. Laut Staatsanwaltschaft war E. täglich vor Ort, hat Entscheidungen getroffen, Arbeitsberatungen durchgeführt, Personal eingestellt und gekündigt. Zu all dem sei er vom eigentlichen Geschäftsführer Stefan S. bevollmächtigt wurden.

Auch die Entscheidungskompetenz in punkto Kunden und Preise soll bei E. gelegen haben. Seine Ehefrau hat sich um die Buchhaltung gekümmert. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Gewinnsucht. Denn fast zehn Millionen hat das Unternehmen an Entsorgungskosten eingespart, die eigentlich für die nötige Weiterverarbeitung des organischen Abfalls angefallen wären. Den reinen Gewinn, abzüglich der Betriebskosten, bewertet die Staatsanwaltschaft mit mehr als drei Millionen Euro. An der Idee, wie man mit Abfall auf Kosten der Umwelt Geld machen kann, soll maßgeblich Matthias R. aus Nordrhein-Westfalen beteiligt gewesen sein.

Abfallströme des Entsorgungsspezialisten SULO-Gruppe nach Möckern umzuleiten - diese Geschäftsidee soll der heute 46-jährige Matthias R., ehemaliger SULO-Niederlassungsleiter, mitentwickelt haben. Rund 55 000 Tonnen sind so „kostengünstig“ entsorgt wurden. Eigentlich hätte diese Art Müll laut Gesetz vom Juni 2005 vorbehandelt werden müssen - zum üblichen Preis von 100 bis 170 Euro pro Tonne. In Möckern kassierte man allerdings nur 20 Euro je Tonne.

Staatsanwältin Benzel erklärte: Der Angeklagte sei regelmäßig vor Ort gewesen und konnte bereits visuell erkennen, dass die Stoffe nicht der Genehmigung entsprechen. Und genau das hätten ihrer Meinung nach auch Rene S. und Guido S. sehen müssen.

 

Angeklagt sind zudem der damalige Vorarbeiter der Tongrube Möckern Rene S., heute 42 Jahre alt, und der Vorarbeiter der Abfallsortieranlage in Rietzel Guido S., 48 Jahre alt. Ihr Job war es, den Müll bei der Annahme zu kontrollieren. Aus Rietzel kam in diesem Zeitraum der Mammut-Anteil des giftigen Mülls. In beiden Fällen machte die Staatsanwältin deutlich: Die Angeklagten kannten die Genehmigungslage und hätten bewußt dagegen verstoßen. „Der Müll wurde absichtlich falsch deklariert.“ Genau diesem Vorwurf muss sich auch Winfried M. stellen.

„Er war geschult und qualifiziert, kannte die Einschränkungen“, beschrieb Staatsanwältin Benzel den 70-jährigen Angeklagten Winfried M. Als Abfallbeauftragter war er für die Prüfungen in Möckern und Rietzel verantwortlich. Er war weisungsberechtigt gegenüber den Mitarbeitern und habe die tatsächliche Herkunft und Beschaffenheit des Mülls der Anklage zufolge genau gekannt. Auch die Gefahr der Verfüllung sei ihm bewusst gewesen.

Welche Gefahren das sind, zählte Benzel explizit auf: Die Vergiftung der Umwelt durch kontaminiertes Sickerwasser und lebensgefährliches Deponiegas. Heute folgt der zweite von insgesamt 53 geplanten Verhandlungstagen.