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Trecker und Plakate Bauernprotest gegen niedrige Milchpreise

Ein Dutzend Bauern aus dem Jerichower Land fuhren am Mittwoch zum Protest nach Magdeburg.

Von Falk Heidel 23.03.2016, 17:24

Hohenseeden/Burg l Zähfließender Verkehr am Mittwoch auf der Straße zwischen Hohenseeden und Magdeburg-Rothensee. Ursache war eine Traktoren-Kolonne mit den mächtigen Fahrzeugen aus Bergzow, Parchen, Tucheim, Demsin und Hohenseeden. An der Spitze lenkt Klaus-Dieter Ladwig seinen Trecker in Richtung eines Auslieferungslagers der Handelskette Norma in Rothensee: „Wir müssen etwas unternehmen, sonst ändert sich nichts“, sagt Ladwig, der seine Brötchen bei Unternehmer Jörg Schulze-Wext in Bergzow verdient.

Warum ist „Norma“ das Ziel des Bauernzorns aus dem Jerichow Land? „Weil ein gutes Stück Butter dort nur noch 65 Cent kostet“, sagte Gerhard Flügge. Der Chef der Agrargenossenschaft Hohenseeden/Parchen ist mit reichlich Technik und vier Kollegen seines Betriebes in Rothensee dabei. Flügge sagt: „Von 25 Cent für einen Liter Milch kann kein Landwirt kostendeckend arbeiten.“ Um vernünftig arbeiten zu können, müssten die Bauern 35 bis 38 Cent pro Liter bekommen, meint Flügge.

Die Bauern fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Flügge: „Die fünf großen Einzelhandelsriesen in Deutschland diktieren die Preise. Und Wirtschaftsminister Gabriel genehmigt auch noch die Fusion von Edeka und Tengelmann.“ Flügge zufolge haben in den vergangenen Jahren 60 Milchbetriebe in Sachsen-Anhalt aufgegeben.

Als Chef der Tucheimer Agrargenossenschaft hat Sören Rawolle seinen Mitarbeiter Christian Tautz zur Protestaktion geschickt. Tautz meint: „Es wird Zeit, sich zu wehren. Schließlich geht es auch um unsere Einkommen und um unsere Existenzen im ländlichen Raum.“ Ähnlich sieht es Florian Miloschewski aus Parchen: „Den Mitarbeitern kann es nur dann gut gehen, wenn es dem Unternehmen gut geht.“

„Wir haben diesmal lediglich eine Resolution übergeben“, sagte Karl-Heinz Jäger vom Kreisbauernverband zur Volksstimme, „mit der wir sofortige Änderungen im Preisgefüge fordern. Wenn sich nicht kurzfristig etwas ändert, werden die Proteste nicht mehr so friedlich ablaufen.“

Im Zusammenhang mit den ruinösen Milchpreisen spricht er von einem täglichen Verlust in seinem Unternehmen von 500 Euro. „Diese Entwicklung halten wir bis Jahresende nicht mehr durch. Es muss sofort etwas passieren, sonst schließen noch mehr Betriebe. Und die Mitarbeiter ziehen der Arbeit hinterher nach Bayern.“

Die Agrar GmbH Zerben gibt die Milchproduktion auf. Am Mittwoch sind knapp 70 Milchkühe abtransportiert worden, davor schon einmal 20, die in der Milchleistung nicht so hoch waren. Weitere werden folgen. Die Entscheidung sei sehr schwer gefallen, war aber unvermeidbar, sagte Geschäftsführer Daniel Ladwig. Die Milchpreise lassen keine kostendeckende Produktion mehr zu. „An guten Tagen machen wir 500 Euro Verlust, an schlechten 1000 Euro!“

Verbunden ist die Aufgabe der Milchproduktion mit der Entlassung von drei Mitarbeitern. Ladwig hofft, dass es dabei bleiben wird. Würde der Betrieb diesen Schritt jetzt nicht gehen, „dann wären wir in einem halben Jahr pleite. Und wesentlich mehr Leute würden ihre Jobs verlieren.“

Bisher gelang dem Betrieb die Quer-Subvention: Das Defizit bei der Milchviehwirtschaft konnte durch andere Säulen der Produktion ausgeglichen werden. Der erneute Milchpreisverfall macht das inzwischen unmöglich. „Eigentlich bräuchten wir 45 Cent pro Liter“, sagt Ladwig. Denn man könne wohl mit 35 bis 38 Cent kostendeckend arbeiten, jedoch müssten viele Betriebe investieren, um ihre Anlagen auf einen modernen Stand zu bringen - oder noch Kredite abzahlen. „Wir würden nicht mal einen Kredit bekommen, um unsere Milchviehanlagen zu modernisieren. Für alles andere wäre das kein Problem.“ Die Banken sehen hier natürlich keine Sicherheit für die Kreditrückzahlung. (Mehr dazu in einer der nächsten Ausgaben)

Bundesweit gab es Mittwoch über 100 bäuerliche Protestaktionen. Hintergrund: Die Weltmarktpreise für zahlreiche Produkte sind seit Monaten im Keller. Hinzu kommt ein Importstopp Russlands als Reaktion auf EU-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise. Der Bauernverband kritisiert gestiegene Margen bei Handel und Lebensmittelwirtschaft, obwohl diese derzeit günstiger Grundstoffe einkaufen könnten. Der rapide fallende Milchpreis bringt Tausende Bauern in Existenznot. Wegen eines Überangebots an Milch kostet der billigste Liter in den Supermärkten nur noch 55 Cent, die Bauern erhalten davon gut 25 Cent. Vor einem Jahr bekamen sie fast 40 Cent je Kilo ausgezahlt.