1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. Orgel-Zustand zum Heulen

Trockenheit Orgel-Zustand zum Heulen

Am Sonntag ist zum achten Mal „Deutscher Orgeltag“. Ob dann aber wirklich alle Orgeln in den Kirchen bespielt werden können, ist fraglich.

Von Stephen Zechendorf 09.09.2018, 01:01

Möckern l „Angenehm kühl“ empfand man es in diesem Sommer, wenn man eine Kirche betrat. Kein Wunder, die dicken Wände halten im Sommer die warme Luft lange draußen. Doch in diesem Jahr mussten irgendwann auch die Gotteshäuser klimatechnisch aufgeben: Temperaturen von 25 Grad waren nichts ungewöhnliches im Kirchenschiff.

Schlimmer aber war die zu trockene Luft. Gerademal 48 Prozent Luftfeuchtigkeit hat Guido Bahlke vor wenigen Tagen in der Möckeraner Stadtkirche St. Laurentius gemessen. „Zu wenig für eine Orgel“, sagt er. „Ideal wären 60 bis 76 Prozent.“

Guido Bahlke arbeitet für eine Orgelbaufirma aus dem altmärkischen Sienau und hat in den vergangenen Tagen die Königinnen der Instrumente rund um Möckern besucht. Eigentlich ist es eine mit den Kirchengemeinden vertraglich vereinbarte Routineüberprüfung. Doch egal ob in Lühe, Möckern, Wahlitz oder Tryppehna – in diesem Jahr findet Guido Bahlke nicht eine einzige Orgel, die nicht unter der Trockenheit gelitten hat.

„Heuler“ nennt man die fürchterlichen Töne, die eine Orgel von sich gibt, wenn die sogenannten „Windladen“ – da, wo die Orgelpfeifen draufstehen – nicht mehr richtig schließen und der Ton weiter „klingt“, obwohl die Taste längst nicht mehr gehalten wird. Solche Heuler hat Bahlke in jeder Kirche zu hören bekommen. Es ist zum Mitheulen!

Bei der Trockenheit kann sich das Holz zusammenziehen und es bilden sich Risse“, erläutert Bahlke. Und Holz befindet sich eine Menge in solch einer Orgel. Die von außen sichtbaren Pfeifen sind zwar aus Metall, aber im Inneren erzeugen auch viele Holzpfeifen den Klang. Auch die Windladen und die Luftkästen, durch die der sogenannte Orgelwind vom Blasebalg zur Orgel strömt, sind aus Holz.

„Manches reguliert sich von selbst, wenn die Luftfeuchtigkeit in den Kirchen zum Herbst hin wieder steigt“, sagt Guido Bahlke. Bei anderen Stellen wird mit feinen Lederstreifen der Riss zugeklebt. Angesichts der vielen Orgeln, die gelitten haben, bleibt es jetzt erst einmal bei Notreparaturen. An ein komplettes Durchstimmen der Instrumente ist nicht zu denken, zumal sich das Instrument mit zunehmender Luftfeuchtigkeit erneut verstimmen würde.

Jetzt geht es erst einmal um die größten Probleme, damit die Orgeln wieder bespielbar werden. Mit Feinwerkzeugen sorgt Bahlke dafür, dass einige zu weit herunterhängende Tasten des Manuals wieder an Höhe gewinnen.

Die evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) hatte in den heißen Sommermonaten ihre Gemeinden aufgefordert, Schäden an den Orgeln zu melden. Die Gemeinden waren auch gebeten worden, etwas gegen die geringe Luftfeuchtigkeit zu tun: die Kirchentüren nicht lange offen stehen lassen, oder einen Eimer Wasser neben die Orgel stellen. „Ständer mit feuchten Handtüchern helfen enorm, ebenso das feuchte Wischen von Steinfußböden in den Kirchen“, wird die Orgelsachverständige des Kirchenkreises Arnstadt-Ilmenau Beate Friedrich in einer Mitteilung der EKM zitiert.