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Übungstag Retter auf vier Beinen

In Güsen haben zwei Rettungshundestaffeln und Hilfsorganisationen den Ernstfall geprobt.

Von Thomas Skiba 05.03.2018, 09:00

Güsen l „Hier Suchtrupp Erwin, haben eine vermisste Person in Abschnitt A nordöstlich Waldlichtung Quadrat 31 gefunden. Person ist ohnmächtig. Führe Erstversorgung durch und bitte um Rettungstrupp. Kommen!“ – so und ähnlich lief am Wochenende der Funkverkehr an einer Jagdhütte in der Gemeinde Elbe-Parey. Am Sonnabend übten die Rettungshundestaffel Magdeburg-Elbeland, die Reservistenkameradschaft Schill‘sche Jäger Magdeburg und der Sanitäts- und Betreuungsdienst der Malteser Magdeburg in einem Waldgebiet nahe Güsen.

Einsatzleiterin Alexandra Koch erklärt die Idee hinter der Großübung: „Seit eineinhalb Jahren beschäftigten wir uns mit der Problematik, dass in einem größeren Einsatzfall mehrere Rettungshundestaffeln plus Deutschem Roten Kreuz und Technischem Hilfswerk und die Feuerwehren zusammenarbeiten müssen – in unbekanntem Gelände und so reibungslos wie möglich. Denn es kommt ja auf jede Minute an.“ Als Teilnehmer standen oben genannte Organisationen fest. Dazu kamen die Rettungshundestaffel Harz und Heide und die DRK-Rettungshundestaffel – beide aus Hannover. Hinzu kamen die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren der Gemeinde Elbe-Parey, die Reservisten der Kameradschaft Carl-von-Clausewitz Burg und die Jugendgruppe der Johanniter-Unfallhilfe Magdeburg. Zusammen mit Güsener Anwohnern zeigten sie sich als gefragte Darsteller, spielten vermisste und verletzte Personen und vervollständigten die Rettungstrupps. „Wir freuen uns, dass die Wald- und Jagdfreunde Güsen uns ihr Gelände kostenfrei zu Verfügung gestellt haben“, so Alexandra Koch, „In Absprache mit der Bundesforst konnten wir das hier anliegende Waldstück beüben.“

Erstes Szenario: Ein schwerer Sturm wütet in der Nacht über Sachsen-Anhalt. Die Bahnlinie Potsdam-Magdeburg ist östlich von Güsen durch umgestürzte Bäume blockiert. Ein Regionalzug hält auf offener Strecke. Einheimische Reisende steigen aus: „Wir gehen zu Fuß“, so deren einhellige Meinung. Trotz Anweisungen des Zugbegleitpersonals begeben sich ein Teil der Fahrgäste durch den nahen Wald in Richtung Güsen. Der Sturm tobt weiter, wird zum Unwetter. In den Polizeidienststellen und Rettungsleitstellen laufen erste Vermisstenmeldungen auf - alle aus dem Elbe-Pareyer Raum. Die Meldungen häufen sich. Diverse Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen, so auch die Rettungshundestaffel Magdeburg-Elbeland, werden alarmiert, formieren sich und treffen in der Jagdhütte bei Güsen ein. Hier hat die Einsatzleitung mit einer mobilen Rettungsleistelle ihren Stützpunkt eingerichtet. Sie rechnet mit einem sogenannten Massenanfall von Verletzten.

Vor Ort schneiden die freiwilligen Feuerwehren mit ihren Kettensägen Straßen und Wege frei, schaffen Platz für die eintreffenden Hilfskräfte. Die Malteser errichten Zelte, stellen Heizgeräte und Stromerzeuger auf; Sanitäter prüfen Tragen und Nothilfekoffer, legen Decken bereit, sorgen für heiße Getränke. Die Hundeführer schnallen ihren vierbeinigen Gefährten ein oranges Geschirr um; darauf befestigt sind Blinkleuchte und Glöckchen. Derweil teilt die Einsatzleitung auf einer aktuellen Lagekarte das Areal für die Suchtrupps auf. Die vermissten Personen werden auf einem zirka 50 Hektar großem Wald, teils mit Unterholz und dreißigjährigen Kiefernschonungen, vermutet. Zwölf Suchtrupps sollen die Vermissten orten, erste Hilfe leisten und an die in Bereitschaft stehenden Rettungstrupps übergeben. Wichtig: Vergabe der Funkrufnamen (Suchtrupp Erwin), Funkfrequenzen und Koordinaten. Entscheidend: klares, verzugsloses Übermitteln der Suchergebnisse an die mobile Rettungsleitstelle.

Bei einer solchen Gefahrensituation kommt es auf die Zusammenarbeit aller Sucher und Retter an. Alexandra Koch nennt die Herausforderung: „Wir wissen nicht, wie viele Personen sich in dem Zug befunden haben und wie viele sich dann zu Fuß auf den Weg machten.“ Da heißt es: Maß halten mit den vorhandenen Kräften und Mitteln, um eine gewissenhafte, stetige Suche zu gewährleisten

Ein Rettungshundeteam besteht immer aus einem Hund und einem Hundeführer – als festes Team. Hinzu tritt ein Suchgruppenleiter, der funkt, der die Orientierung behält, die Erstversorgung bei Verletzten durchführt und der „abflattert“. Damit ist das Kennzeichnen des bereits abgesuchten Areals mit Trassierband gemeint: „Jeder Hund hat eine individuelle Einsatzzeit – der eine länger, der andere kürzer“, damit das ablösende Rettungshundeteam weiß, wo es dann weitersuchen muss, wird abgeflattert.

Michael Sasse von den Schill‘schen Jägern kommt es bei der Übung darauf an, dass eine einheitliche Funk- und Verkehrssprache gesprochen wird: „Es gibt dazu bundeseinheitliche Vorgaben, die sich an erprobten Standards orientieren. Da brauchen wir das Rad nicht neu zu erfinden.“ Immer wieder üben: Frequenzen am Funkgerät einstellen, präzise Meldungen abgeben mit Koordinaten, Orientierungspunkten und einer kurzen Schilderung der momentanen Situation. „Auch die fünf W`s – Was, wann, wo, wer, wie viele – müssen immer wieder trainiert werden“, so Sasse, „Sonst kommen die Sucher ins Schwafeln. Darunter leide dann unter anderem die Verständigung mit den Rettungstrupps.“

Die Rettungshundestaffel Magdeburg-Elbeland ist Mitglied im Bundesverband Rettungshunde (BRH). Er arbeitet nach einheitlichen Vorgaben und ist einer von mittlerweile mehr als 70 Staffeln des BRH. Derzeit gehören zu dem Verein elf Hundeführer mit 14 Hunden. Ausgebildet werden Flächensuchhunde, Mantrailer und Trümmersuchhunde. Geprüfte und einsatzfähige Hundeteams aus den verschiedenen Sparten werden von der Polizei oder Feuerwehr zur Vermisstensuche alarmiert.

Doreen Hagedorn von der Rettungshundestaffel Hannover bekennt: „Ich will helfen und ich mag Hunde. Also habe ich mein Hobby zur Passion gemacht.“ Für ihre Hündin Henny ist es eine Generalprobe. Der Hund ist noch nicht geprüft und sollte hier bei der Großübung schon mal an die demnächst folgende Testsituation herangeführt werden. „Nur hervorragend ausgebildete Hunde und Helfer können auf hohem und professionellem Niveau die Rettungsarbeit leisten“, so Hagedorn. Sie trainiert mit Hündin Henny zweimal die Woche – und das ehrenamtlich. Dazu hat sie Bereitschaftzeiten. Hier muss sie in der Lage sein, bei Alarmierung sofort an einem Sucheinsatz teilzunehmen. „Meistens wird man in der Nacht alarmiert“, schmunzelt Hagedorn. „Dann geht die Aktion bis um 6 Uhr in der Früh und um 7 Uhr bin ich wieder auf der Arbeit.“

Alle Mitglieder der BRH Rettungshundestaffel Magdeburg-Elbeland arbeiten ehrenamtlich. Die Einsätze im Vermisstenfall werden grundsätzlich kostenfrei durchgeführt. Alles, was notwendig ist, wie Gerätschaften für die Ausbildung der Hunde wie Trainingsgeräte, Funkgeräte und GPS-Logger und die Ausrüstung für den Einsatzfall wie Sicherheitskleidung, Laptop, Drucker sowie die Kosten für die Benutzung spezieller Trainingsgebiete werden ausschließlich aus Spenden finanziert.

Die Bilanz der ersten Großübung in diesem Rahmen fiel positiv aus. Die Zusammenarbeit hat funktioniert. Alle Vermissten wurden gefunden, versorgt und an ihre Familien übergeben. „Ich danke nochmals allen Protagonisten, die trotz Kälte in ihren Positionen ausgeharrt haben“, so Alexandra Koch. „Durch das Engagement aller haben wir gezeigt, dass wir unser Handwerk beherrschen.“