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Unruhe Für Fische soll die Ehle Umweg nehmen

Die Ehle in Möckern könnte in Zukunft auf gut 150 Metern einen neuen Weg nehmen.

Von Stephen Zechendorf 23.06.2020, 06:00

Möckern l Unruhe herrscht im sonst so beschaulichen Mühlenweg. Gerade mal ein halbes Dutzend Häuser stehen hier, die Bewohner leben überwiegend schon lange hier, Otto Hobohm sein ganzes Leben. Als Kind watete er durch die Ehle, als Rentner lebt er in der alten Mühle. Vor Kurzem hörte er, dass die Ehle bald nicht mehr unter seinem Haus entlang fließen soll, sondern drumherum. Weil die Fische es nicht unter seiner Mühle hindurch flussaufwärts schaffen, hat er gehört. Dieser Tage hat jemand mit Sprühfarbe ein Kreuz auf seine Zufahrt gesprüht, wie man es von Baustellenvorbereitungen kennt.

An der Sache ist etwas dran: In Europa gibt es seit dem Jahr 2000 mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie das Ziel, Fließgewässer wieder in einen naturnahen Zustand zu versetzen, um Wasser- und Lebensqualität für die hier lebenden Lebewesen zu erhöhen. Dazu gehört auch die ökologische Durchgängigkeit. Sprich: ein Fisch soll es schaffen, von der Mündung bis zur Quelle schwimmen zu können (siehe Info-Kasten).

Diesem Vorhaben stehen jedoch immer wieder Bauwerke entgegen. Konkret für den Lauf der Ehle in der Ortschaft Möckern sei das die Mühle im Mühlenweg, erklärt Oliver Uhlmann, Geschäftsführer des Ehle-Ihle-Verbandes. Sie stelle ein für Fische und andere wassergebundene Lebewesen ein unüberwindbares Querbauwerk dar. Grund ist ein Höhenunterschied von etwa 60 Zentimetern an der Stelle, wo früher das Mühlenrad ins Wasser ragte.

Außerdem sei unter der Mühle ein Rohr mit relativ kleinem Durchmesser. Hier ist das Gewässer beschattet. Fische schwimmen nicht durch Tunnel, sagt Uhlmann.

„Flussabwärts ist die Ehle bis zur Mühle Bestandteil des stark geschützten Natura-2000-Gebietes“, so Uhlmann. Eine Vielzahl an Fischen und anderen Lebewesen tummelt sich hier. Im „Gewässerentwicklungskonzept (GEK) Ehle-Ihle“, des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) aus dem Jahr 2015 für die Ehle ist von einer Fischwanderhilfe für zahlreiche Arten wie Aal, Flussneunauge, Meerforelle, Aland, Bachforelle, Bachneunauge, Döbel, Elritze, Gründling, Hasel, Quappe, und Schmerle die Rede.

Laut Oliver Uhlmann schaffen es diese Fische nicht über die Ehle bei Möckern hinaus. „Weiter oben mag es auch Fische geben, aber das sind keine, die es von flussabwärts dorthin geschafft haben“, ist Uhlmann mit Verweis auf die Lochower Fischteiche überzeugt.

Sein Verband hat daher den Antrag auf EU-Fördergelder gestellt, mit denen eine Durchgängigkeit der Ehle flussaufwärts erzielt werden soll. Und der positive Fördermittelbescheid über etwa 800 000 Euro liegt inzwischen vor.

Zielstellung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist, Defizite der Gewässerstruktur und unüberwindbare Barrieren für Fische und Kleinlebewesen zu identifizieren, und aufzuzeigen, wo Gewässer naturnah gestaltet werden können. Maßnahmen zur naturnahen Gewässerentwicklung sollten vorgeschlagen – und „die Maßnahmen hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit mit den regionalen Akteuren abgestimmt werden“.

Und genau daran hakt es nach Ansicht von Otto Hobohm, seinem Nachbarn Gerhard Specht und auch Möckerns Ortsbürgermeister Detlef Friedrich. Im Ortschaftsrat Möckern machte letzterer seinem Ärger Luft, dass bislang weder Anlieger noch Ortschafts- oder Stadträte in die bisherigen Pläne eingeweiht seien.

 „Ja, da war mal vor Jahren eine Vorstellung solch eines Konzeptes, aber seitdem tat sich nichts. Die Anwohner haben Angst, dass morgen die Bagger vor der Tür stehen.“ Detlef Friedrich spricht von „Verschwendung von Steuergeldern“. Es sei fraglich, ob die Fischarten überhaupt noch in einer Ehle heimisch seien, die nicht mehr von einer sauberen Quelle, sondern ausschließlich von Feldern, die möglicherweise von Düngung belastet sind, gespeist werde.

„Das alles befindet sich erst in der Konzeptionsphase“, versucht Ehle-Ihle-Verbandschef Oliver Uhlmann die Wogen zu glätten. Das beauftragte Ingenieurbüro würde jetzt erst die Lage und Höhe vermessen und untersuchen, was überhaupt geht: „Es ist noch lange nicht so weit, dass es mit Bauarbeiten losgeht.“ Zu den jetzigen Aktivitäten gehören ihmzufolge auch die Überprüfung der verschiedenen Varianten. Wenn die zu beteiligenden Stellen von Wasser- und Umweltbehörde einen Blick auf die Planungen geworfen hätten, würde auch die Öffentlichkeit beteiligt.

Auf den Internetseiten des LHW findet man unter den Suchbegriffen „Gewässerentwicklungskonzept ‚Ehle-Ihle‘, Punktuelle Maßnahme: Wehr Parkteich Möckern“ einen Variantenkatalog für diesen Abschnitt. Drei Möglichkeiten listet das Grobkonzept auf: Die Erstellung einer Fischaufstiegsanlage am Wehr an der sogenannten „Eisvogelbrücke“ in naturnaher Gestalt oder als technisches Bauwerk und drittens die „Nutzung der strukturreichen Alten Ehle durch Ertüchtigung eines Parkgrabens und mit Umgehung des einstigen Mühlenstandortes“. Letztere Variante werde bevorzugt.

Otto Hobohm und Gerhard Specht befürchten, dass in ihrer Straße alles aufgerissen wird, Versorgungsleitungen verlegt und eine ganze Ahorn-Allee gefällt werden müssen, nur um eine steinerne Rinne für die Ehle zu bauen. Sie haben Angst, dass solch ein Bypass die vorhandene Artenvielfalt zerstören könnte.

Otto Hobohm und Gerhard Specht wünschen sich, dass eine Lösung am Umflutkanal gefunden wird. An der „Eisvogelbrücke“ umschwenkt ein Arm der Ehle östlich die Mühle. Laut Einschätzung des Ehle-Ihle-Verbandschefs Uhlmann ist das Gefälle am Wehr jedoch zu steil. Auch würde dann der Zufluss zu den Gräben im Schlosspark nur noch Brackwasser und kaum noch Strömung liefern. Dennoch sei zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offen, ob der Bypass an der Mühle wirklich kommt. Überlegt werde ebenso, was man mit dem Gewässer unter Mühle machen kann.

Durch Zufall fanden die Anwohner und Uhlmann vor Kurzem zueinander, als Vertreter des Landkreises Jerichower Land und des Ehle-Ihle-Verbandes zu einem Ortstermin im Mühlenweg zusammenkamen. Es sei ein angenehmes und konstruktives Gespräch gewesen, sagt Uhlmann.

Er habe dabei erklären können, dass nicht von einem betonierten U-Profil die Rede sei, sondern von einer Verschwenkung der Ehle mit natürlicher Böschung, Totholz, Steinen und Pflanzen geplant sei: „In zwei Jahren wird keiner mehr glauben, dass das künstlich geschaffen ist“, so Uhlmann. Vertreter der Stadt Möckern sollen bei dem Treffen nicht dabei gewesen sein. Auf Volksstimme-Nachfrage erklärt Stadtbürger Frank von Holly, seines Wissens befände sich das Ganze noch in einer frühen Planungsphase, er habe aber demnächst eine Beratung dazu veranlasst.

Während die Anwohner im Mühlenweg sich um mögliche Auswirkungen auf „ihr Stückchen Ehle“ sorgen, sieht Uhlmann vor allem den Vorteil einer zu 100 Prozent geförderten Renaturierung der Ehle. Müsste bedeuten: keine Kosten für die Stadt oder die Anwohner. Uhlmann deutet aber auch an: „Wenn eine technische Lösung für das Problem an der Mühle nicht gefunden wird, könnte auch die Förderfähigkeit des gesamten Projektes wegfallen.

Dies wiederum könnte Auswirkungen auf weitere Vorhaben entlang der Möckeraner Ehle haben. Denn im Gesamtkonzept ist auch die seit langem geforderte Entschlammung von Ehleteiches und einem Parkgewässer enthalten. Hier hatte die Stadtverwaltung immer wieder erklärt, dass eine solche Maßnahme aus eigenen Mitteln kaum zu stemmen sei.