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Volksstimme-Test Elbe-Havel-Radweg in der Kritik

Volksstimme-Redakteur Falk Heidel testet dem Elbe-Havel-Radweg im Jerichower Land. Ergebnis: Es gibt noch viele Reserven.

Von Falk Heidel 11.10.2017, 05:00

Start: 65 Kilometer durch den Landkreis entlang des Elbe-Havel-Kanals: Meine Tour startet an der Kanalbrücke in Kader-Schleuse. Der kleine Ortsteil von Kade an der Landesgrenze nach Brandenburg hat immerhin 55 Einwohner. Doch ich radele ganz einsam im Morgengrauen in Richtung Genthin. Der Wind erweist sich als steife Brise, die mir tüchtig ins Gesicht pustet. Die Tatsache macht das Treten doppelt schwer, egal, so wird es auch eine sportliche Herausforderung.

3 km: Ich muss den Weg zum ersten Mal verlassen. Der 100 Meter lange Kanaleinstich kurz hinter Neubuchholz zwingt mich dazu. Ich umfahre diesen Einstich und bin zwei Minuten später wieder am Kanal. Was danach kommt, ist grausame Folter für meinen Hintern. Mit den Millionen klumpigen Schottersteinen fühle ich mich wie ein Shüttel-Shake. Ich will nicht fluchen, sondern denke mir: Mensch ärgere dich nicht!

8 km: Genthin erreicht. Ich fahre unter der Kanalbrücke an der Berliner Chaussee hindurch... und stehe am Zaun. Hier ist der Weg zu Ende. Ich muss in die Stadt. Gibt es ein Schild, das mir den Weg weist? Mitnichten. Parallel zur Geschwister-Scholl-Straße kann ich den Kanalweg wieder nutzen. Doch das Vergnügen ist von kurzer Dauer. Nirgendwo ein Wegweiser, der mich klüger machen könnte: Mensch ärgere dich nicht!

12 km: Hinter der Schiffswerft in Richtung Bergzow gibt es endlich wieder eine Zufahrt zum Weg am Kanal. Der Radweg - ein Traum! Nach dem Kanalausbau ist die Strecke hier neugestaltet in 1A-Qualität. So macht das Radeln Freude. Fröhlich pfeifend rolle ich in Richtung Parey. Und ich bin froh, dass es in unserem Landkreis so tolle Radwege gibt. Dieses Gefühl dauert genau 1500 Meter an - dann ist Schluss. Einfach so. Der Weg endet in der Prärie. Bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen, ein Schild mit entsprechender Information aufzustellen. Nichtmal ein Ausweich über den Acker ist möglich. Ich muss die 1,5 Kilometer bis zur Straße zurückfahren. Mensch ärgere dich nicht!

15 km: An der Landstraße geht es über Hagen nach Bergzow. So wie es Standard ist im Jerichower Land, gibt es auch hier keinen Radweg am Chausseerand. Gefährlich wird es für mich immer dann, wenn sich auf meiner Höhe zwei Fahrzeuge begegnen.

20 km: In Bergzow quere ich die Altkanalbrücke und treffe an einem idyllischen Rastplatz wieder auf meinen Kanal-Radweg. Jetzt kommt wieder Freude ins Spiel, die Strecke ist sehr schön eben gesplittet. Ich rolle über Parey in Richtung Zerben, während mich ein Fahrgastschiff der Reederei Kaiser auf dem Wasserweg überholt. Mir entgegen kommt das Ehepaar Grimmel aus Tangerhütte: „Ist das der richtige Weg nach Genthin?“ Ich muss tief Luft holen, bevor ich zu erklären beginne. Mein Rat an die beiden Senioren: Menschen ärgert euch nicht!

27 km: Von weitem sehe ich die alte Einsenbahnbrücke bei Zerben und frage mich, wie geht es dahinter wohl weiter? Zehn Minuten später bin ich schlauer: Gar nicht. Wieder kein Schild, dass das jähe Ende des Weges ankündigt. Zurück nach Parey ist keine Option. Ich muss absteigen und stapfe durch den Matsch bis zur Schleusenbaustelle. Irgendwie komme ich dann schon in den Ort – dachte ich. Keine Chance, weil alles eingezäunt ist. Mein Fahrrad und ich quälen uns über einen Bauzaun in die Freiheit. Beim Klettern denke ich mir: Mensch ärgere dich nicht!

34 km: Über radweglose Strecken kämpfe ich mich von Zerben bis zur Kanalbrücke nach Ihleburg durch. Von dort kann ich ihn sehen, den frisch angelegte Radweg auf der anderen Kanalseite. Hui - es rollt wieder in Richtung Burg.

40 km: In Parchau endet der Weg auf meiner Kanalseite. Aber: Gleich über der Brücke geht es auf der anderen Seite weiter nach Burg. Wenn da nicht ein Schild wäre „Achtung Sackgasse, keine Durchfahrt“. Heldenhaft ignoriere ich diese Botschaft – irgendwie werde ich schon nach Burg kommen, wäre doch gelacht. Zwei Kilometer später bin ich klüger, hier ist der Zaun zum Betonwerk. Es erweist sich nicht als schlau, einen Schleichweg durch die garstigen Dornenbüsche zu suchen, denn es gibt keinen. Mit meinen blutenden Kratzern wächst die Erkenntnis, ich muss wieder zurück nach Parchau. Selbst Schuld!

49 km: Ein ganz neues Lebensgefühl. Entlang der Straße zwischen Parchau und Burg gibt es einen herrlich asphaltierten Radweg. Ich rolle durch die Stadt und darf am Knäckewerk endlich wieder zum Kanalweg abbiegen. Die Strecke ist prima befahrbar. Es kommt mir so vor, als ob der Weg mit jedem Kilometer an Attraktivität gewinnt.

Ziel: An der Stelle, wo sich hinter Hohenwarthe der Kanal mit der Elbe kreuzt, enden meine 65 Kilometer durch das Jerichower Land. Hier kommt die Strecke einem gewissen touristischem Anspruch schon nahe. Der weitaus größere Abschnitt zwischen Burg und Kade lässt sich treffend mit desaströsem Stückwerk bezeichnen.