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Währungsunion Als die D-Mark endlich zu uns kam

25 Jahre ist es her, dass die Währungsunion 1990 die DDR in Aufregung versetzte. Keine Ausnahme machten die Sparer im damaligen Kreis Burg.

Von Bernd Körner 30.06.2015, 10:47

Burg/Genthin l Die Aufregung um die Währungsunion vor 25 Jahren war groß. Alle wollten zwar Westgeld, aber bitteschön eins zu eins im Wechsel. Das klappte nur teilweise. Wie genau die Zeit vor dem Umtauschtag, dem 1. Juli 1990, im Kreis Burg ablief, hatte auch die Volksstimme-Lokalredaktion damals dokumentiert.

Als die beiden deutschen West- und Ostfinanzminister Waigel und Romberg im Mai 1990 vertraglich beschlossen hatten, den Noch-DDR-Bürgern ihre Ost- in Westmark zu tauschen, gab es an den Familientischen kaum ein anderes Thema, als die bevorstehende Währungsunion. Es wurde diskutiert, gefeilscht und beraten, wie das hart ersparte Geld auf dem Sparkonto weitgehend verlustfrei auf die eigene Sippe verteilt werden könnte.

Im Extremfall wurde für das gerade geborene Baby schnell ein Sparbuch eingerichtet, um es um 2000 Mark der DDR reicher werden zu lassen. Denn diese Summe wurde Kindern 1:1 getauscht. Und Opa und Oma wurden jeweils und blitzartig 6000 DDR-Mark auf Zeit überwiesen. Die Summe wurde in Anbracht ihres Alters über 60-Jährigen gleichfalls 1:1 gewechselt.

Das Gros musste sich mit 4000 Mark pro Nase zufrieden geben, ansonsten im Verhältnis 2:1 tauschen. Also, große Hektik quer durch die Haushalte, möglichst viel Westmark zu erhaschen. Auch die Einwohner der Altkreise Burg und Genthin waren in der gespannten Erwartung nicht zimperlich.

Wie überall in der Ex-DDR gehandhabt, war es zum überwiegenden Teil die Sparkasse, die Privatkunden in ihren Kontenlisten führte. Das waren in unserer Region rund 90 Prozent der Bevölkerung. Da hatten die Sparkassenkollektive alle Hände voll zu tun mit Vorbereitung und Vollzug der Währungsunion.

Wie organisiert man so eine Mammutaufgabe, die bis dahin in der Größenordnung noch nie bewältigt werden musste? Die ersten endlosen Schlangen bildeten sich vor den Sparkassen ab dem 11. Juni. Mit dem Tag nämlich konnten die Sparkassenkunden laut Verfügung des Präsidenten der Staatsbank der DDR Kontenumstellungen und die Ausgabe von D-Mark-Auszahlungsquittungen beantragen.

Ein unübersehbarer Stempelabdruck im Sparbuch besiegelte am Ende das geduldige Schlangestehens vor der Sparkassentür. Im Übrigen gab es später eine Verlängerung des Ost-West-Wechsels bis zum 30. Juni 1993 für alle die, die unverhofft zu Hause doch noch DDR-Mark entdeckt oder nach dem 1. Juli 1990 eine Erbschaft in Ostwährung angetreten hatten.

Um den vielen Sparkassenkunden im Kreis Burg Aufklärung geben zu können, willigte Sparkassendirektor Horst Kohl sofort ein, der Volksstimme-Lokalredaktion ein Interview zu geben. Seine beschwörende Formel an erster Stelle: „Liebe Kunden, nur nicht am 1. Juli drängeln, ihr bekommt alle euer Geld!“

So wurden im gesamten Altkreisgebiet 76 Auszahlstellen eingerichtet, allein in der Kreisstadt 36. Die Deutsche Post half mit ihren Schaltern und mancher Rat der Gemeinde richtete in seinem Büro eine Wechselstube ein. Zudem musste unter anderem vorbereitet werden, dass auch die Bewohner der verschiedenen Altersheime im Kreis an ihr Westgeld kommen konnten. Das stellte sich mitunter nicht einfach dar. „Schließlich mussten unsere Heimbewohner erst einmal aufgeklärt werden, wie und worum es am 1. Juli eigentlich geht“, antwortete der damalige Leiter des Heimes am Marienweg auf Anfrage der Volksstimme. Dass Sparkassenmitarbeiter im Heim den Betagten beim Ausfüllen der Umstellungsanträge halfen, sei nicht nur am Rande bemerkt.

Die mittelfristige Organisation des ersten Julitages hatte ansonsten eine hochrangige Kreiskommission in der Hand, in der sämtliche Geldinstitute einen Sitz und eine Stimme hatten. Neben der Kreissparkasse gab es bekanntlich unter anderem die Filiale der DDR-Notenbank und die Landwirtschaftsbank.

Klar, dass am 1. Juli 1990 die Sparkassenmannschaft komplett zur Verfügung stehen sollte. Trotzdem war die Leitung des Finanzinstituts froh, dass sich jeweils sechs Mitarbeiter der Sparkasse aus Gummersbach, dem späteren Burger Städtepartner, und der niedersächsischen Kreissparkasse Bückeburg als Helfer angekündigt hatten. Deren zeitlich befristete Unterstützung hatte für Horst Kohl noch einen willkommen Nebeneffekt: „20 meiner Leute waren bisher als Gäste in Bückeburg, um dort den Kassenbetrieb kennenzulernen, der mit gleicher Technik und ebenbürtigem Kundenservice bald auch bei uns Tatsache werden soll.“ Wer wusste zum Beispiel von uns damals schon, dass man sich mit einer Plastikkarte an einem Automaten Geld besorgen kann?

Dann war es endlich soweit, der 1. Juli 1990 stand im Kalender - ein heißer Sommertag. Kurz nach fünf Uhr sollen die Ersten der ungeduldig Wartenden vor der Sparkassentür in Burg gestanden haben - obwohl erst um 8 Uhr geöffnet werden sollte. Die Wartestunden unter freiem Himmel waren übrigens nicht leicht zu überstehen: „Donner und Regen waren ein harter Preis“, wie später in der Volksstimme zu lesen war. Das erfreuliche aber war, dass es nach der Schalteröffnung nur für kurze Zeit einen Kundenstau gegeben hatte. Im Laufe des historischen Wechseltages ließ der Andrang rapide nach, dank der vielen Umtauschstellen. Erlösendes Fazit am späten Abend: Es war ein friedlicher Geldumtausch nach einer friedlichen Revolution...

Es gibt Sparkassenangestellte von damals, die heute noch in der Sparkasse Jerichower Land arbeiten und 1990 die Umtauschaktion im Job miterlebten. Einer von ihnen ist Gregor Cisek, einst Sachgebietsleiter der Kreissparkasse Burg. „Gut in Erinnerung ist mir, wie mich und drei weitere Kollegen mit Kalaschnikow bewaffnete Polizisten in einem VP-Barkas abholten und nach Magdeburg zur Staatsbank fuhren. Sie hatte sich in dem Gebäude im Breiten Weg befunden, das künftig das Dommuseum beherbergen soll. Uns wurden fünf Millionen D-Mark ausgehändigt. Als wir nach Burg fuhren, wurden am Transportfahrzeug Blaulicht und Sirene eingeschaltet und erst in Burg vor der Sparkasse wieder ausgeschaltet. Ein komisches Gefühl, fünf Millionen Mark mit der lautstarken Begleiterscheinung nach Burg zu transportieren. Die fünf Millionen waren nur die Erstausstattung für unsere Kreissparkasse. Weitere Millionen mussten folgen.“

Mit einem Schmunzeln im Gesicht erinnert der Sparkassen-Mitarbeiter sich daran, dass sieben Millionen D-Mark im Schalterraum, nur mit einer Decke getarnt, offen lagen. „Lachen konnte damals darüber aber von uns keiner. Das zeugte aber davon, mit welcher Hektik und Schnelligkeit gearbeitet wurde, um den Währungstag ohne Zeitverzug für die vielen wartenden Kunden über die Bühne zu bringen.“