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Wirtschaft  Fachkräfte sollen ihren Preis haben

Lohnt sich Unternehmertum in Städten wie Genthin oder Burg noch? Darüber wurde beim Businessabend diskutiert.

Von Marco Hertzfeld 06.07.2018, 08:00

Burg/Genthin l „Es wird wieder eine Bevölkerungsbewegung geben. Raus aus den großen Städten, rein ins Land. Davon bin ich fest überzeugt.“ Beigeordneter Thomas Barz (CDU) darf den Landkreis schon berufsbedingt nicht aufgeben. Doch rosarot zeichnet der Vize-Landrat nicht: „Uns fehlen die guten Zehnklässler, die eine Ausbildung machen und ins Handwerk gehen.“ Nicht jeder müsse auf Teufel komm raus Abitur machen. Noch ein Beispiel: „Wir müssen die jungen Leute überzeugen, nach Studium oder Ausbildung zurückzukommen.“ An irgendwelche Rückkehrerprogramme glaube er allerdings nicht. Letzten Endes laufe es zudem oft aufs Geld hinaus: „Bei den Gehältern muss sich einiges bewegen.“

„Lohnt es sich noch, im Jerichower Land Unternehmer zu sein?“ Um diese Frage drehte sich der 2. Genthiner Businessabend. Barz rührte in seinem Vortrag nicht lange um den heißen Brei herum: „Ein ganz klares Ja.“ Der Landkreis sei wirtschaftlich durchaus stark, doch gebe es dort wie in ganz Sachsen-Anhalt eine gewisse Neigung, vieles schlecht zu reden. Die Wirtschaft zwischen Jerichow und Gommern sei fast zu 100 Prozent von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt. „Für mich das Zeichen einer gesunden Wirtschaft, einer gesunden Struktur.“ Schnell findet Barz auch den altbekannten Knackpunkt: „Der wichtigste Faktor ist nicht die Fläche, die wir ausreichend haben, sondern der Mensch.“

Damit bekam die Runde ihr Stichwort: Fachkräfte. Oder besser: der Mangel daran. Eine schnelle Lösung zeigte auch dieser Abend nicht auf. André Gottschalk sieht immerhin einen neuen Weg darin, sich konsequenter auf bereits vorhandene Mitarbeiter zu konzentrieren. Der Regionalberater der Landesinitiative „Fachkraft im Fokus“ rät: „Entwickeln sie aus den Perlen im Unternehmen die zukünftigen Fachkräfte.“ Die Zauberwörter: Qualifizierung und Weiterbildung. Das Land unterstütze dabei mit einem bestimmten Geldbetrag, berate und verfüge bekanntlich über ein Stellenportal der Fachkräfte.

„Potenziale müssen gebündelt werden“, liefert Barz, der frühere Genthiner Bürgermeister, eine weitere Botschaft und aktuelle Daten dazu. Die Arbeitslosigkeit im Jerichower Land sei mit 7,4 Prozent relativ niedrig. Der Vize-Landrat sieht darin schon fast die Vollbeschäftigung. Selbst die Jugendarbeitslosigkeit sei nicht mehr die übergroße Sorge. Landkreisweit gibt es derzeit über 1000 offene Stellen, im Jahr 2012 waren es etwas mehr als 350. Auch bleiben Lehrstellen immer häufiger unbesetzt. Die Einwohnerzahl sinkt, wenn auch nicht so dramatisch wie einst prognostiziert. „Ein Blick nur mal auf Genthin: Rund 100 Kinder werden pro Jahr geboren, das reicht nicht.“

Alexander Otto, Initiator des Businessabends und selbst Unternehmensberater, zeichnet im Landkreis unterschiedliche Standortfaktoren. „Die Autobahn 2 ist vor allem ein Zugpferd für Burg und vielleicht noch Schopsdorf. Genthin selbst hat nur die Bundesstraßen und den Elbe-Havel-Kanal.“ Wobei Letztgenannter durchaus Potenzial habe, denn der Transport über das Wasser werde spürbar zunehmen, ist Otto überzeugt und will einen gesunden Optimismus verbreiten. Ja, es lohne sich noch, Unternehmer im Jerichower Land zu sein. Das Feld dafür zu bereiten, dabei solle auch diese Runde weiter helfen.

Der Vize-Landrat stößt ins selbe Horn, bittet, ja fordert: „Geben sie der Region eine Chance, glauben sie an ihre Heimat!“ Barz kennt zudem weitere Zahlen: Das verarbeitende Gewerbe ist der größte Arbeitgeber im Landkreis. 5734 Menschen sind in dem Bereich beschäftigt. Es folgen im Vorderfeld das Gesundheits- und Sozialwesen (4663), Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz (3461) und das Baugewerbe (3142). Der traditionsreiche Bereich Land- und Forstwirtschaft plus Fischerei bleibt recht stark und kommt mit 1185 Beschäftigen auf Rang 8.