1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Maschendraht statt Schallschutz?

Zuglärm Maschendraht statt Schallschutz?

Seit dem Abrisss des Baufanitwerkes, fühlen sich die Anwohner der Wilhelmstraße Mieste extrem durch die Züge belästigt.

Von Gesine Biermann 04.09.2015, 20:14

Mieste l Rund 20 Miester sind es, die sich am Donnerstagnachmittag an der Wilhelmstraße eingefunden haben. Allerdings nicht, weil das Wetter so schön ist, sondern weil sie Sorgen haben. Wer dort wohnt am Ortsausgang Richtung Wernitz, ist lärmtechnisch leidgeprüft. Alle paar Minuten rauscht hier ein Zug vorbei. Die Triebwagen des Personennahverkehrs sind noch die leisesten, schlimmer sind die ICE-Züge, die bis zu 250 Stundenkilometer schnell sind, am schlimmsten ist der Güterverkehr.

Noch bis vor zwei Jahren standen zwischen den Wohnhäusern und der Bahntrasse noch die alten Hallen des einstigen Baufanitwerkes. Kein schöner Anblick, aber ein guter Schallschutz offensichtlich. Denn erst seit die Stadt die Gebäude abreißen ließ und die Fläche begrünte, ist es unerträglich laut, jedes Mal wenn ein Zug fährt. Die Schallschutzwand hört nämlich genau in der Mitte des einstigen Betriebsgeländes auf. Dahinter kommt nichts mehr, nicht einmal ein Zaun.

„Wir sind deshalb nicht nur vom Lärm genervt. Wir haben auch Angst um unsere Kinder“, sagt Janina Raehse. Für die junge Mama kein haltbarer Zustand, und so nimmt sie einfach den Kontakt zur Deutschen Bahn AG auf. E-Mails gehen hin und her. Raehse schildert die Probleme der Miester und schließlich erklärt sich Andreas Ecker, Leiter Produktionsdurchführung der DB-Netz AG bereit, sich mit ihr zu treffen.

Und am Donnerstag ist es nun soweit. Gemeinsam mit etlichen Nachbarn wartet Janina Raehse auf den Mann, von dem sich die Miester Hilfe versprechen. Doch die wird es wohl nicht geben, so viel steht nach dem Gespräch fest. Denn Andreas Ecker leiht den Bürgern zwar sein Ohr, informiert auch über ein „freiwilliges Lärmsanierungsprogramm des Bundes“ und das „lärmabhängige Preissystem“, mit dem die Deutsche Bahn Nutzer zu lauter Züge abstrafe, verweist aber sonst auf den Planfeststellungsbeschluss.

Die Bahn, sagt er, habe „alle damaligen Rahmenrichtlinien eingehalten.“ Zwar gab es Anfang der 90er Hinweise der Kommune – da noch die eigenständige Gemeinde Mieste – doch gegen den Planfeststellungsbeschluss sei nie geklagt worden. Und auch die Einwände der Miester, zum Beispiel von Günter Riecke, dass sich nach dem Abriss der alten Gewerbehallen „doch eine völlig neue Situation“ ergeben habe, lässt Ecker nicht gelten. „Die Gebäude sind damals nicht als lärmmindernd festgestellt worden“, betont Ecker – was alle Umstehenden die Köpfe schütteln lässt, weil sie seit zwei Jahren täglich das Gegenteil erleben.

Dass ihr subjektives Gefühl sie darin nicht trügt, beweist ein Gutachten jüngeren Datums. „Der Gutachter bestätigt darin eindeutig, dass die Lärmgrenzwerte von der Bahn deutlich überschritten werden“, betont Engelhard Behrends. Janina Raehse hatte Gardelegens Bauamtsleiter zu dem Treffen dazugebeten. Behrends erinnert den Fachmann der Bahn AG daran, dass bereits während des Planfestellungsverfahrens bekannt war, dass in Mieste ein neues Eigenheimgebiet entstehen wird: „Sie können sich also nicht hinter alten Beschlüssen verstecken.“ Doch das sieht Eckert anders: „Wären Sie damals schneller gewesen, wäre die Welt eine andere“, sagt er ironisch, und nochmals: „Die Kommune hat den Beschluss gelesen, respektiert und nicht beklagt.“

Spätestens an dieser Stelle platzt Janina Raehses Nachbarin Viola Klopp allerdings der Kragen: „Warum müssen wir das jetzt ausbaden?“, will sie wissen. „Hier schiebt einer dem anderen den schwarzen Peter zu und wir sind die Dummen.“ Daraufhin denkt Andreas Ecker dann doch noch mal ein bisschen nach. „Haben Sie hier demnächst mal Erdaushub?“ will er von Behrends wissen. Den könne man doch dann zu einem Wall aufschütten, schlägt er vor. „Ein Anwohner fragt fassungslos: „Ja sollen wir uns jetzt selbst eine Schallschutzwand bauen?“

Doch, doch. Genau das meint der Bahner, der in einer solchen Maßnahme offenbar eine gute Lösung sieht. Nur finanzieren müsse das die Stadt selbst. Behrends Antwort: „Die Idee hatten wir auch schon, nur scheitert es hier am Geld.“ Aber das indes ist offensichtlich nicht Sache der Bahn.

Lediglich in Sachen Sicherung der Gleise will Andreas Ecker innerhalb seines Unternehmens nun noch einmal intervenieren, obwohl es für diese Strecke – da hat er extra nachgefragt – keine Meldungen gab, dass Personen auf den Gleisen gesichtet wurden. Dennoch: Einen Maschendrahtzaun, ein paar Meter lang, den könnte er sich vorstellen, damit Kinder nicht mehr auf die Bahnstrecke gelangen.

Wie schnell das gehen kann, zeigen just in dem Moment zwei kleine Mädchen. Während die Erwachsenen diskutierten, sind sie plaudernd in die Nähe der Bahn gelangt, genau dort, wo die Schallschutzmauer endet. Sie sind zum Glück schon groß und kommen allein zurück.

Zurück im Bauamt will Behrends nun prüfen, ob sich in der Sache vielleicht Fördermittel finden: „Wir lassen die Leute nicht im Regen stehen.“ Den Zusatz „so wie die Bahn“ verkneift er sich lieber.