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Gardelegen Ausfallstunden nicht gleich Ausfallstoff

Das neue Schuljahr ist erst drei Wochen alt, da fallen in der Gardeleger Sekundarschule bereits Stunden aus. Eltern sind besorgt.

Von Gesine Biermann 19.09.2015, 01:01

Gardelegen l Das kleine Wörtchen „eigentlich“, es spielt derzeit eine große Rolle an der Gardeleger Karl-Marx-Sekundarschule, auch wenn Schulleiter Horst-Dieter Radtke sich bemüht, es nicht so direkt auszusprechen. Er sagt lieber „von der Sache her“. Und „von der Sache her“ ist alles gut in diesem Schuljahr. „Statistisch gesehen, sind wir gut aufgestellt“, versichert Radtke. Die Stunden seien zu 104 Prozent abgedeckt. Wer sich über die vier wundert: Das ist der Puffer, den eine Schule braucht, um Fehlstunden durch Krankheit, Klassenfahrten oder Weiterbildung der Lehrer abzufangen.

In absoluten Zahlen ausgedrückt heißt die 104: „Wir haben 23 Stunden in der Woche mehr zur Verfügung, als wir Unterrichtsstunden geben müssen.“ 104 Prozent ist also eigentlich eine gute Zahl. Und eigentlich sind auch nur zwei Lehrer krank. Zudem sei bei beiden absehbar, dass sie bald wieder gesund zurück sind. Warum eigentlich sind Eltern also so besorgt? „Ich möchte im Namen der gesamten Elternschaft der Klasse 10 a auf die Probleme unserer Schule hinweisen. Dort fallen regelmäßig die Fächer Biologie, Chemie und Mathe aus“, schildert zum Beispiel Michaela Walter aus Gardelegen in einem Leserbrief. Zugegeben, das gibt schon zu denken, gerade für die Abschlussklassen, die ja ihre Prüfungen schreiben müssen. Und eigentlich machen auch die nackten Zahlen wenig Mut, die Horst-Dieter Radtke ausgerechnet hat: Im Fach Biologie sind in diesem Schuljahr bereits 19 Stunden ausgefallen, davon zwölf komplett. Sieben wurden nicht fachgerecht vertreten.

In Chemie sieht es auch nicht besser aus. Von den 14,5 Wochenstunden hat die erkrankte Kollegin allein 12,5 Stunden auf ihrem Plan. Und so sind bis jetzt insgesamt 27 Stunden Chemie ausgefallen. Zumindest für die beiden zehnten Klassen gibt es jetzt eine Notlösung: Anstelle einmal pro Woche haben sie alle zwei Wochen Chemieunterricht. Mehr geht nicht. „Wir können die Kollegen ja schließlich nicht totmurkeln“, sagt Harald Koßurok, der sich an der Schule um den Vertretungsplan kümmert. Ein Job, um den den Mathelehrer wohl kein Kollege beneidet. Apropos, Mathe: Auch hier ist ein Fachlehrer krank. Koßurok und Radtke haben schon einen großen Teil seiner Stunden übernommen. „50 Prozent der Stunden werden vertreten“, fachgerecht. Im Umkehrschluss fallen also 50 Prozent aus. Kein Wunder, dass sich die Eltern Sorgen machen.

Und doch ist das eigentlich unnötig. Zwar gibt es hier auch ein „eigentlich“, das ist der Tatsache geschuldet, dass natürlich niemand weiß, wie sich die Situation in diesem Schuljahr weiter entwickeln wird. Dass derzeit aber tatsächlich niemand Angst haben muss, dass „Unterrichtsstoff niemals wieder aufgeholt werden kann“, wie in einem Leserbrief dargestellt, erklären Radtke und Koßurok gleich im Anschluss an ihre übrigens sehr offenen Erläuterungen zu Stundenausfall und Vertretungsmöglichkeiten im Gespräch mit der Volksstimme. Was viele Schüler – und wohl die allermeisten Eltern – nämlich nicht wissen ist, dass es mehrere Unterrichtswochen gibt, in denen kein neuer Stoff vermittelt wird. „In diesem Jahr“, rechnet Harald Koßurok vor, „sieht der Lehrplan zum Beispiel 120 Stunden Mathematik vor. 156 Stunden sind aber da.“ Und so bleibt für alle Schüler noch genügend Zeit, um den bislang verlorenen Stoff aufzuholen. Auch in Chemie und Bio.

Zudem ist das, was sich in Prozent ausgedrückt erschreckend anhört, bisher noch gar nicht so dramatisch. Wenn 50 Prozent der Chemiestunden ausfallen, sind das in absoluten Zahlen drei Stunden. Verstecken wollen sich die „Stundenplaner“ hinter ihren Erklärungsversuchen keinesfalls, aber ein wenig die Panikmache verhindern. Und auf eines können sich die Eltern außerdem verlassen: An der Schule nimmt man das Problem sehr ernst: „Auch uns tut jede Stunde, die ausfällt, leid“, betont Horst-Dieter Radtke. Und zwar ohne jedes „eigentlich.“