1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Von Vorurteilen und Verständnis

EIL

Projekttag Von Vorurteilen und Verständnis

Auch so kann Sozialkundeunterricht aussehen: Einen ganzen Tag beschäftigten sich 14- und 15-jährige Schüler mit dem Thema Flüchtlinge.

Von Gesine Biermann 11.11.2015, 02:00

Gardelegen l „Alle Deutschen sind Nazis“, „Alle Muslime sind gewalttätig“, „Alle Amerikaner sind fett“ und „Polen klauen alles“. Einer ganzen Wand voller Vorurteile sehen sich Achtklässler im Clubraum des Jugendförderungszentrums (JFZ)gegenüber. Sie haben sie selbst aufgeschrieben und angeklebt. Nun reden sie darüber.

Kursleiterin Anke Matys zitiert das Grundgesetz: „Die Würde ist unantastbar“. Die Jugendlichen werden nachdenklich. „Vielleicht ist die Würde eines Menschen immer so groß, dass sie nicht von einem Vorurteil niedergetrampelt werden kann“, schlägt Lena Ulrich vor. „Vorurteile haben immer ganz viel mit Gefühl zu tun und wenig mit dem Verstehen“, macht Matys den Schülern klar. Dann verteilt sie Arbeitsbögen mit verschiedenen Aussagen, manche mit politischem, andere mit alltäglichem Hintergrund. Die Jungen und Mädchen sollen Kreuze machen: „Fakt oder Vorurteil“. Dabei wird schnell klar: So manches Vorurteil haben auch die Gymnasiasten mitgebracht.

An diesem Tag wollen zehn Pädagogen im Gardeleger Jugendclub Mood und in Räumen des JFZ allerdings dabei helfen, sie abzubauen, insbesondere jene gegenüber Flüchtlinge. Gleich nebenan spricht Janina Böse mit einer anderen Schülergruppe zum Beispiel über das Thema Medien. Sie will wissen, wo sich die Jugendlichen informieren: „Ausführlich in der ARD-Tagesschau oder nett aufbereitet und gut verpackt bei den Privaten?“ Dass Schüler in dem Alter sich eher für „Berlin Tag und Nacht, als für eine Bundestagsdebatte auf Phönix“ entscheiden, kann sie zwar nachvollziehen, dennoch versucht sie, ihnen die Unterschiede klar zu machen, die Sichtweise und den Blick der Schüler für das Wesentliche zu schärfen.

Im Mood wiederum sitzt Torsten Neumann, Jugendclubleiter in Diesdorf, in einer Runde mit Achtklässlern und hat ans Flipchart Zahlen geschrieben. Ihm geht es darum, den Schülern auch mal klare Fakten zu nennen. So habe es Mitte der 90-iger Jahre schon einmal eine große Zahl an Kriegsflüchtlingen gegeben, erinnert er. Auch damals war die große Mehrheit, nämlich knapp 50 Prozent, rund 350 000 Menschen aus Jugoslawien nach Deutschland geflohen. Die überwiegende Zahl der Menschen sei allerdings längst wieder in die Heimat zurückgekehrt, macht Neumann klar.

Ängste ernst zu nehmen und aufzuklären – beides hatten sich auch Bernd Götte, Carsten Roßberg, Christin Schulze, Janine Heinrich und Heike Laß in ihren Workshops auf die Fahnen geschrieben, von denen sich die Schüler jeweils drei aussuchen durften. In Gesprächsrunden, Rollenspielen und sogar in einem Kunstprojekt zum Thema Asylpolitik arbeiteten die Jugendlichen zusammen mit Klassenkameraden und auch an sich selbst, bauten eigene Vorurteile ab und erfuhren so vielleicht sogar auch etwas mehr voneinander.