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Brüchau „Silbersee“ soll ganz verschwinden

Der Ortschaftsrat von Kakerbeck fordert die komplette, fachgerechte Entsorgung sämtlicher Giftstoffe der Bohrschlammdeponie Brüchau.

Von Andreas Puls 18.11.2015, 18:23

Kakerbeck/Brüchau l Kakerbecks Ortsbürgermeister Ulf Kamith hatte für die Ortschaftsratssitzung eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet. Zu den Gästen der Ratssitzung zählten unter anderem Christfried Lenz von der Bürgerinitiative „Kein CO2-Endlager Altmark“ sowie Bürger aus dem Ort Brüchau, in dessen Gemarkung sich die gefährliche Bohrschlammdeponie befindet, in der unter anderem mehr als 250 Tonnen Quecksilber und zahlreiche andere hochgiftige Stoffe der Bergbauwirtschaft lagern sollen.

Wie Kamith eingangs berichtete, fand bereits im Juli eine Beratung zum Thema Deponie Brüchau im Landesamt für Altlastenentsorgung in Magdeburg statt. Kamith nahm mit Kerstin Schulz vom Kalbenser Bauamt daran teil. Bei der Beratung wurden unter anderem Varianten zur langfristigen Sicherung der Deponie beziehungsweise zur Entsorgung der Altlasten vorgestellt. Im Zuge der Debatte um den Umgang mit der Giftstoff-Deponie, die im Volksmund auch Silbersee genannt wird, ist immer wieder von erhöhten Krebsraten in der Bevölkerung der Region die Rede. Darum stellte Ulf Kamith eingangs seiner Ausführungen das aktuelle Krebsregister von Sachsen-Anhalt vor. Dieses stammt von 2014 und erfasst die registrierten Krebsfälle bei Frauen und Männern in den Jahren 2010 und 2011. Den Daten ist zu entnehmen, dass die Krebsrate im Altmarkkreis Salzwedel leicht unter dem Landesdurchschnitt liegt. Allerdings, so Kamith, gebe es in dieser Datenerhebung eine Reihe von Unwägbarkeiten. Zum Beispiel sei unklar, wie viele Personen außerhalb des Altmarkkreises an Krebs verstorben seien, etwa weil sie weggezogen sind. Außerdem müsse von nicht erfassten Krebsfällen ausgegangen werden.

Danach stellte der Ortsbürgermeister eine Auflistung der verschiedenen, vom Land erarbeiteten Varianten zum künftigen Umgang mit der Deponie vor. Die Kosten der langfristigen Sicherung beziehungsweise der kompletten Dekontamination der Deponie schwanken zwischen 2,7 Millionen und mehr als 20 Millionen Euro. Als Vorzugsvariante wurde eine Kombinationsabdichtung des Areals herausgestellt. Kostenpunkt: 3,6 Millionen Euro. Dazu zählten laut Kamith unter anderem Verdickungsmaßnahmen im Deponie-Randbereich und die komplette, mehrschichtige Abdeckung der gesamten Deponie, um Emissionen unter anderem durch Ausgasungen dauerhaft zu verhindern. Der natürliche Untergrund der Deponie, der laut eingehenden Untersuchungen aus einer Schicht aus Geschiebemergel besteht, wird als sicher eingeschätzt.

Das Gutachten der geologischen und hydrogeologischen Untergrunduntersuchungen der Deponie hat Christfried Lenz (BI „Kein CO2-Endlager Altmark“) gemeinsam mit dem Ingenieur für Wasserwirtschaft, Bernd Ebeling, im Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) in Staßfurt eingesehen. Lenz zitierte einige Aussagen aus diesem Gutachten, was bei den Anwesenden Zweifel an der dauerhaften Dichtheit des Deponie-Untergrunds nährte. Unter anderem heißt es darin: „Für die natürliche Basis und Seitenabdichtung der Deponie ist das Geschiebemergelvorkommen von besonderer Bedeutung. Hierbei handelt es sich um tonigen, sandigen Schluff, der vereinzelt Geschiebe in Stein- und Blockgröße enthält.“ Außerdem ist von horizontal und diagonal verlaufenden Kalkbändern die Rede, die allerdings nur in den oberen Metern der Bohrungen nachgewiesen wurden.

Für Skepsis sorgt bei den Ortsräten auch die Tatsache, dass die für die Dichtheit der Deponie so entscheidende Geschiebemergelschicht sehr unterschiedlich dick ist. Sie schwankt laut Untersuchungen zwischen einer Stärke von lediglich 70 bis 80 Zentimetern bis zu mehreren Metern. Lenz meinte, dass auf Grund dieser Tatsachen Aussagen bezüglich der tatsächlichen Dichtheit des Untergrundes wohl nur sehr schwer zu treffen seien.

Auch das Grundwasser im Bereich wurde untersucht. Im Gutachten heißt es dazu beispielsweise: „Die festgestellten Grundwasserbelastungen stellen keine konkreten Gefährdungen für die menschliche Gesundheit dar, da das Grundwasser im betreffenden Bereich nicht für Trink- und Brauchwasserzwecke genutzt wird.“ Unter anderem heißt es darin: „Für die natürliche Basis und Seitenabdichtung der Deponie ist das Geschiebemergelvorkommen von besonderer Bedeutung. Hierbei handelt es sich um tonigen, sandigen Schluff, der vereinzelt Geschiebe in Stein- und Blockgröße enthält.“ Außerdem ist von horizontal und diagonal verlaufenden Kalkbändern die Rede, die allerdings nur in den oberen Metern der Bohrungen nachgewiesen wurden. Diese Einschätzung sorgte im Kakerbecker Ortsrat für allgemeines Kopfschütteln. Schlimm genug sei, dass es eine Belastung des Wassers gebe. Und niemand könne ausschließen, dass in Zukunft die Nutzung des Wassers wünschenswert wäre. Lenz meinte, dass diese Aussage in dem Gutachten tief blicken lasse. Außerdem sei es bemerkenswert, dass offenbar das mit verantwortliche Unternehmen „Gas de France“ zu keinerlei Kostenbeteiligung bei der Altlastensanierung herangezogen werden könne.

In der anschließenden Diskussion wurde über die Varianten zum künftigen Umgang mit der Deponie beraten. Die Ortsräte sprachen sich mehrheitlich für eine komplette Dekontaminierung der Deponie aus. Dies wäre mit dem Aushub und der fachgerechten Entsorgung des gesamten Deponie-Inhalts verbunden. Problem: diese Variante wird vom Landesamt für Altlastenentsorgung mit Blick auf die Kosten von mehr als 20 Millionen Euro ausgeschlossen. Ulf Kamith meinte, dass dies eine politische Entscheidung sei, auf die das Votum des Ortsrates keinen Einfluss habe. Aber mehrere weitere Ortsräte plädierten dafür, die Maximalforderung trotzdem zu stellen und dem Kalbenser Stadtrat zu empfehlen, eine entsprechende Stellungnahme zu verabschieden. So sagte etwa Steffen Lötge: „Die Kostendiskussion ist für mich unerheblich. Ausschlaggebend ist, dass für die hier lebende Bevölkerung jetzt und zukünftig keine Gefahr von der Deponie ausgeht.“

Einig ist der Ortschaftsrat allerdings auch in der Auffassung, dass künftig seitens der betroffenen Bevölkerung mehr Initiative erforderlich sei. Dies sei notwendig, um die Komplettberäumung gegenüber den übergeordneten Entscheidungsträgern mit dem notwendigen Nachdruck einzufordern.