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Gedenken Herzensangelegenheit für Bürger

Rund 150 Gäste gedachten in Gardelegen der 1016 Toten des Massakers in der Isenschnibber Feldscheune 1945.

Von Ilka Marten 14.04.2016, 03:00

Gardelegen l Bürgermeisterin Mandy Zepig ermunterte: „Wagen Sie das Experiment! Lassen Sie uns das versuchen!“ Der Leiter der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen, Andreas Froese-Karow sagte in Bezug auf lebendiges Gedenken: „Machen Sie mit!“ Es waren mahnende Worte bei der Gedenkfeier zum 71. Jahrestag des Massakers in der Isenschnibber Feldscheune 1945, aber auch viele optimistische mit Blick nach vorn.

Die Stadt Gardelegen stelle sich in bemerkenswerter Weise ihrer Verantwortung, betonte der stellvertretende Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, André Merten. Seit vergangenem Jahr ist die Stiftung Träger der Gardeleger Gedenkstätte, die Hansestadt bleibt Eigentümerin des Geländes und übernimmt weiterhin laufende Pflegearbeiten.

Die Gedenkstätte sei für Gardelegen nicht nur eine Verpflichtung, sondern eine Herzensangelegenheit, sagte die Bürgermeisterin. Sie freute sich über die vielen Gäste: „Am 13. April kommen immer mehr Gäste als zur zentralen Veranstaltung im Januar“, so Zepig. Auch das zeige, wie sehr sich die Gardeleger mit der Isenschnibber Feldscheune verbunden fühlen. Damit es künftig noch mehr Teilnehmer bei der jährlichen Gedenkveranstaltung, die in diesem Jahr erstmals unter der Regie der Stiftung stattfand, gibt, wandte sich Zepig direkt an die Gäste: „Jeder kennt jemanden, der sich für Politik und Geschichte interessiert. Bitten Sie ihn doch, das nächste Mal mitzukommen. Jeder spricht einen an. Lassen Sie uns das versuchen.“

Auf gleich drei Dimensionen des Themas des diesjährigen Gedenkens – „Mitten in der Gesellschaft“- ging Gedenkstättenleiter Andreas Froese-Karow ein. Zum einen sei das Verbrechen mitten in der Gesellschaft geschehen. Bürger hätten mit Jagd auf entflohene Häftlinge bei den Todesmärschen gemacht, andere hätten geholfen. Froese-Karow: „Es gab sehr wohl für jeden persönliche Handlungs- und Entscheidungsspielräume.“

Zum anderen sei der Ort mitten in der Altmark. „Und in vielen Orten waren Häftlingsgruppen sichtbar, in Mieste, in Letzlingen.“ Und diese Orte seien heute dort vertreten, so Froese-Karow: mit dem Miester Posaunenchor und dem Letzlinger Männergesangverein.

Die dritte Ebene sei das Wirkungsfeld des Gedenkens – und das trotz der Randlage der Gedenkstätte in Gardelegen. Es gebe viele Vereine und Einzelpersonen, die sich engagieren. Mit Blick auf lebendiges Gedenken, auch mit dem Bau des neuen Besucherzentrums, betonte der Leiter: „Es geht nicht nur um Schulen, sondern um alle Altersgruppen.“ Es folgte zum Thema lebendiges Gedenken seine Aufforderung: „Machen Sie mit!“

Die Gedenkansprache hielt Dieter Steinecke, ehemaliger Präsident des Landtages. Er mahnte: „Wir müssen uns einmischen und das Wort im demokratischen Prozess erheben.“ Trotz vieler Bemühungen „wissen wir: Es gibt keine heile Welt“. Steinecke weiter: „Wir müssen die Rechtsradikalisten konsequent in die Schranken weisen.“

Steineckes Rede endete mit einer unbeantworteten Frage: „Kriege haben noch nie vermeintliche oder tatsächliche Probleme gelöst. Ich frage mich und frage Sie: Wann wird man je verstehen?“

Musikalisch umrahmte auch der Männerchor Eintracht die Veranstaltung.