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Gymnasium Zweite Fremdsprache „in die Tonne“?

Für die kommenden elften Klassen am Gardeleger Gymnasium wird es wohl nur noch eine Fremdsprache geben - Englisch.

Von Gesine Biermann 28.05.2016, 03:00

Gardelegen l Vier Jahre Französischunterricht hat sie hinter sich, nun soll es damit vorbei sein. In der elften Klasse des Gardeleger Gymnasiums soll es in den kommenden elften Klassen kein Französisch mehr geben. Ihre Tochter sei „am Boden zerstört“, berichtet die Mutter einer Schülerin. „Jahrelanges Vokabelpauken umsonst, die Wörterbücher ab in die Tonne?!“

Das allein sei schon schlimm genug. Für ihre Tochter hänge aber möglicherweise die Abiturnote daran, sagt die Volksstimmeleserin. Denn um die Mindestkurszahl zu erreichen, müsse sie jetzt eine zweite Naturwissenschaft anwählen. Statt der realistischen 1 in Französisch wird auf dem Abizeugnis möglicherweise eine 4 in Physik, Chemie oder Bio stehen – „und damit schneidet sie schlechter ab“.

Wie die Tochter der Leserin ärgern sich derzeit auch weitere Zehntklässler im Gardeleger Gymnasium über die Ankündigung, dass ab der elften Klasse wohl kein Französischkurs mehr zustande kommt. Eine Schülerin würde zum Beispiel gern Französischlehrerin werden. „Aber ohne Unterricht bis zum Abi? Keine Chance.“ Wiederum fünf weitere künftige Abiturienten hätten auch gern ihren Russichsunterricht bis zum Abitur fortgesetzt.

Aber auch das wird wohl nicht möglich sein. Denn um die jeweils zweite Fremdsprache – die erste ist Englisch und Pflicht – weiterhin anbieten zu können, müsste jeweils ein Kurs mit mindestens 15 Schülern zusammenkommen, beziffert die Schulleitung.

Diese Schülerzahl sei nicht in Stein gemeißelt, denkbar sind Kurse auch mit weniger Schülern. Dann aber würden sich andere Kurse so stark vergrößern, dass ein vernünftiger Unterricht kaum noch möglich sei, warnt Schulleiter Dietmar Collatz. Zum Beispiel ein Physikkurs mit über 30 Schülern. „Das erklären Sie dann mal den Schülern und Eltern!“

Die Ursache für die Misere liegt in der Zuweisung von Lehrerwochenstunden, die durch einen Erlass des Kultusministerium geregelt ist. Es handelt sich um ein bestimmtes Kontingent, das anhand der Schülerzahlen berechnet wird. Zwingend abgedeckt werden müssen aus diesem Pool zunächst die Stunden für Pflichtfächer wie Mathe, Deutsch oder Geschichte. Mit den verbleibenden Stunden kann jede Schule dann zwar jonglieren – aber auch nur in einem bestimmten Rahmen. Würde also für neun Schüler ein Französisch- oder gar für fünf Schüler ein Russischkurs eingerichtet, würden diese Stunden zulasten anderer Fächer wie zum Beispiel Naturwissenschaften gehen.

Und die stehen offenbar bei den jetzigen Zehntklässlern hoch im Kurs. Im Kultusministerium spricht man sogar von einem „außergewöhnlichen Wahlverhalten“, das laut Pressereferentin Karina Kunze absolut selten vorkommt.

„Der Trend ist in den vergangenen Jahren immer mehr in die Richtung gegangen“, bestätigt Michael Knopf, der am Gymnasium die Stundenplanung organisiert. Die Situation um die Sprachschüler macht ihm dennoch Sorgen. „Nicht nur einmal bin ich schon durch die Kurse gegangen, um Werbung für Französisch zu machen“, versichert er. „Möglicherweise überlegt es sich ja doch noch der eine oder andere.“ Stichtag ist der 17. Juni. Bis zu diesem Tag können sich die Schüler noch für den einen oder anderen Kurs entscheiden.

Woran es liegt, dass sich in diesem Jahrgang so viele Schüler für Naturwissenschaften und so gegen Sprachen entschieden, kann niemand sagen. „Möglicherweise hängt es ja damit zusammen, dass in den vergangenen Monaten so viel Französischunterricht ausgefallen ist“, mutmaßt die Mutter einer Zehntklässlerin, deren Tochter ebenfalls gern weitergemacht hätte. Der zeitweise Mangel an Fachlehrern hatte zu „Abminderungsstunden“ in der Einführungsstufe geführt. Grundsätzlich könne sie zwar verstehen, dass Schulen in ländlicher Region nicht jedes Fach anbieten könnten: „Aber wir wollen immer global sein. Und dann gibt es keinen Sprachunterricht!“

Und noch etwas wünscht sie sich für die Zukunft. „Man sollte den Kindern und Eltern schon deutlich eher mitteilen, dass nicht jedes Fach, das sie angewählt haben, auch bis zum Abitur garantiert werden kann.“