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Amtsgericht Abends ins Kaufland eingestiegen

Aus dem Lager eines Supermarktes klaute ein 29-Jähriger Spielzeugfiguren. Am Donnerstag saß er im Gardeleger Amtsgericht.

Von Gesine Biermann 28.07.2017, 03:00

Gardelegen l Gemeinsam mit einem weiteren Beklagten soll er im Mai des vergangenen Jahres in das Warenlager eines Gardeleger Supermarktes eingestiegen sein und Ware geklaut haben. Nun sitzt der 29-Jährige, der unter Betreuung steht und in der Tischlerei der Lebenshilfe ein kleines Einkommen von etwa 260 Euro monatlich verdient, nun doch ziemlich zerknirscht auf der Anklagebank. Denn vor ihm sitzen an diesem Morgen sogar drei Richter – neben Strafrichter Axel Bormann sind auch zwei Schöffen dabei. Das passiert immer dann, wenn dem Angeklagten für sein Vergehen möglicherweise eine Haftstrafe drohen könnte. Und ein Einbruchdiebstahl wiegt nun mal schwer, auch wenn nur schwer zu verstehen ist, was ein Einbrecher mit sogenannter Jumper-Figuren will, die es eigentlich zu dieser Zeit beim Einkauf im Supermarkt sogar als Gratisgeschenk für eine bestimmte Summe dazu gab.

16 Tüten mit insgesamt 270 der kleinen Spielzeuge schleppte der Angeklagte am Tatabend nach Hause, bezifferte die Staatsanwältin. Einzelpreis: 50 Cent. „Das ist in meinen 26 Dienstjahren der unsinnigste Diebstahl, den ich je verhandelt habe“, sagt Richter Axel Bormann denn auch kopfschüttelnd. Zumal sich der junge Mann bei dem Einbruch sogar in Gefahr brachte. Denn zusammen mit dem Kumpel war er über einen fünf Meter hohen Schacht in das Warenlager am Gardeleger Hansecenters geklettert.

Der sogenannte Kumpel ist indes gesondert angeklagt. Er sitzt derzeit auch schon in Haft, hat deutlich mehr auf dem Kerbholz als der Angeklagte. Und er habe ihn damals auch angestiftet, beteuert der: „Nachmittags hat er mich angerufen und gesagt: Wir wollen nachts bei Kaufland einsteigen“, erzählt er. Und weil der „ein guter Freund“ gewesen sei, sei er denn auch tatsächlich zu ihm gefahren. „Wir haben erst noch Musik gehört und sind dann los.“ Am Marktlager selbst kletterten die beiden auch tatsächlich über einen Zaun und gelangten über einen Schacht ins Lager. Ein Gestänge, das solche Aktionen eigentlich verhindern soll, habe der Kumpel schon „vorher abgebaut“ berichtet er freimütig.

Im Lager selbst hätten sie dann die Tüten gegriffen. Den Alkohol, den sie noch vorfanden, „haben wir aber stehenlassen“. Allerdings rüttelten die beiden noch an der Tür, die Lager und Markthalle verbindet. „Aber die war zugeschlossen.“ Und so habe man sich mit den Spielzeugfiguren zufrieden gegeben. Die 16 Beutel wurden aus dem Schacht runter geworfen. „Dann haben wir sie weggebracht. Dafür mussten wir sogar zwei mal gehen.“ Auch auf die Frage, was der Kumpel denn mit den Figürchen tun wollte, gibt er bereitwillig Auskunft: „Er wollte sie verscherbeln und mir was abgeben. Ich habe aber nie was davon gesehen.“

Das allerdings liegt wohl in erster Linie, daran, dass die Figuren bei dem Kumpel gefunden und mittlerweile längst zurückgegeben wurden. „Aber bei dem, was die kosten, hätten sie doch auch höchstens 15 Euro abgekriegt“, hält ihm Bormann vor. Der junge Mann zuckt darauf nur mit den Schultern.

Dass er nicht soweit dachte, an jenem Abend, mag allerdings auch an seiner Behinderung liegen. Ein Gutachter bescheinigt dem Gardeleger nämlich nur eine verminderte Intelligenz. „Dass man nicht klauen darf, versteht er aber schon“, versichert die Staatsanwältin am Rande der Verhandlung. Und deshalb müsse er sich auch dafür verantworten.

Da er aber bislang noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, wie sein Bundeszentralregisterauszug zeigte, und offensichtlich der Kumpel die treibende Kraft war, kommt der 29-Jährige mit einem „Denkzettel“ davon. Als solchen bezeichnete Richter Axel Bormann nämlich die Auflage von 60 Sozialarbeitsstunden, die er nun innerhalb von sechs Wochen, und auch nicht bei der Lebenshilfe sondern andernorts ableisten muss. Erfüllt er diese, wird das Verfahrens eingestellt. Bormann: „Aber ich will Sie hier nie mehr wiedersehen.“