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Ausbildung Syrischer Zahnarzt lernt Fachchinesisch

Wie Wurzelbehandlung auf Deutsch heißt, lernt Zahnarzt Mohamad Al Abdullah in der Praxis seines Gardeleger Kollegen Dr. Roland Plötz.

Von Gesine Biermann 29.11.2018, 20:00

Gardelegen l Angespannt sitzt die Patientin auf dem Zahnarztstuhl. Irgendwo da oben rechts pikt es so komisch. „Und da ist sie, die Stelle“, sagt Roland Plötz und tippt mit der Hakenspitze auf einen dunklen Punkt im Röntgenbild. „Da müssen wir ran. Vorher gibt‘s aber natürlich eine schöne Spritze.“ Spricht‘s und lächelt aufmunternd in Richtung Patientin. Und dann schaut er über seine Schulter und tauscht einen Blick mit seinem Kollegen. Der nickt. Alles klar. Das war ganz einfache Kommunikation auf Deutsch. Das versteht der längst. Nur als die Patientin dann ein paar aufgeregte Nachfragen hat, guckt der syrische Arzt etwas irritiert. Das war wohl doch zu schnell...

„Deutsch ist schwer“, versichert Mohamad Al Abdullah lächelnd. „Aber ich verstehe es täglich besser.“ Fast akzentfrei sagt er das. Dabei ist der syrische Zahnarzt erst seit einem halben Jahr in Deutschland. Mit einem sogenannten Sprachvisum, einer Aufenthaltsgenehmigung zum Erlernen der Landessprache.

Und sein erstes Etappenziel hat er auch schon erreicht. Vor kurzem hat er nach einem Kurs in Magdeburg die Deutschprüfung auf B2-Niveau erfolgreich abgelegt.

Seit Anfang November wird es nun allerdings etwas kniffliger. Jetzt stehen Worte wie Bissnivellierung, Hemisektion oder Endodontie in seinem Vokabelheft. Letztere ist für ihn übrigens besonders wichtig. Denn auf das Fachgebiet Endodontie, sprich Wurzelbehandlung, würde sich der 27-Jährige in Deutschland gern spezialisieren. „Da liegen aber noch ein paar Jahre vor mir“, sagt er. Erst einmal geht es für ihn jetzt um die Sprachprüfung C1. Fachsprachenniveau. In seinem Fall die medizinische Fachsprache für Zahnärzte.

Und genau deshalb schaut er seit einigen Wochen seinem Kollegen Roland Plötz in Gardelegen über die Schulter, hört natürlich vor allem genau zu, lernt quasi als Syrer von seinem deutschen Kollegen das „Fachchinesisch“.

„Ich darf nur gucken, nicht anfassen“, sagt Mohamad Al Abdullah augenzwinkernd. Aber man sieht ihm schon an, dass er eigentlich auch ganz gern praktisch mitarbeiten, seinem „Chef“ gern auch mal etwas Arbeit abnehmen würde. Denn schließlich hat er nach seinem Studium bereits zwei Jahre in Aleppo und einige Monate in der Libanesischen Hauptstadt Beirut als Zahnarzt gearbeitet.

Im nordsyrischen Aleppo, derzeit wieder einmal Zentrum der Kriegshandlungen, leben übrigens seine Eltern.

Ja er hat regelmäßig Kontakt zu ihnen, sagt Al Abdullah. Dass er Angst um sie hat, kann er aber auch nicht verbergen. Gut, dass sein Bruder in Sicherheit ist. Der ist ebenfalls Mediziner, lebt schon seit etlichen Jahren in Deutschland, praktiziert als Frauenarzt in Nordrhein-Westfalen und unterstützt ihn finanziell. Denn an sein Visum sei keinerlei finanzielle Leistung gekoppelt, betont der junge Zahnarzt. Deshalb hofft er, dass er den Status seines Visums schon bald erweitern kann. „Dann dürfte ich 40 Stunden im Monat arbeiten.“ Allerdings zunächst nicht als Zahnarzt. Zumindest nicht vor der bestandenen Fachspracheprüfung.

„Deshalb paukt er auch den ganzen Tag“, verrät sein Mentor Roland Plötz lächelnd. Schon wegen seines Eifers und seines Engagements macht ihm sein derzeitiger Assistent nämlich viel Freude. „Es ist einfach unglaublich, wie schnell er lernt.“

Und auch menschlich kommen die beiden offenbar prima aus. Den Patienten geht es ebenso. „Fast alle bringen ihm viel Wohlwollen entgegen. Nur einige wenige sind ein bisschen skeptisch“, sagt Plötz.

Dass er dem Kollegen Starthilfe gibt, ist für den Gardeleger übrigens ganz selbstverständlich. Den Kontakt hatte ein Freund hergestellt. Median-Klinik-Chefarzt Dr. Matthias Fischer in Kalbe hatte nämlich Al Abdullahs Bruder vor Jahren ebenfalls als Sprachmentor begleitet. Und als der nachfragt, ob Plötz einen künftigen Kollegen unterstützen würde, hatte er nicht gezögert.

Mohamad Al Abdulla ist ihm dafür sehr dankbar. „Überhaupt“, sagt der Syrer, „müssen wir den Deutschen dankbar sein.“ Deutschland habe so viele Menschen bei sich aufgenommen, obwohl diese einen ganz anderen Glauben, ein ganz anderes Weltbild hätten. Syrien habe reiche Nachbarländer, „die auch Muslime sind, so wie wir. Saudi Arabien zum Beispiel“. Trotzdem sei von da kaum Hilfe für die Kriegsflüchtlinge gekommen...

Er selbst will übrigens zurück nach Syrien. Möglichst als „Wurzelspezialist.“ Nach seinem Praktikum bei Roland Plötz würde er deshalb gern als Assistenzzahnarzt arbeiten und sich hier weiterbilden. Und weiter lernen. Auch Deutsch. Manchem Geheimnis der deutschen Sprache komme er nämlich nur nach und nach auf die Schliche, verrät Mohamad Al Abdullah. „Dass man sich zum Beispiel an einer Schlange anstellen muss“, obwohl die doch ein Tier sei, finde er zum Beispiel sehr komisch.