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Auslandseinsatz Dreimal Hindukusch und zurück

Karsten Mertens aus Packebusch war bereits dreimal im Afghanistan-Einsatz. Anders als andere ist er vom Sinn der Mission überzeugt.

Von Cornelia Kaiser 28.03.2018, 03:00

Packebusch. Ostern steht vor der Tür. Solche Feiertage sind immer eine besonders emotionale Zeit für Soldaten im Auslandseinsatz. Wer wüsste das besser als Karsten Mertens? Der Packebuscher hat das zurückliegende Weihnachtsfest in Afghanistan verbracht. Und es war nicht sein erster Aufenthalt in dem Land.

Das erste Mal war der heute 36-jährige Berufssoldat mit dem Dienstgrad eines Majors von Februar bis Juli 2011 dort. „Und damals hatte ich die ersten Tage wirklich Angst“, sagt der zweifache Vater. Schließlich sind in keinem anderen Auslandseinsatz der Bundeswehr so viele deutsche Soldaten gefallen wie in Afghanisten – seit 2001 insgesamt 57. Dennoch hat der Packebuscher, der seit 2002, mit dreijähriger Unterbrechung, in der Bundeswehr dient, nie die Notwendigkeit des Einsatzes bezweifelt. Und das liegt daran, dass er selbst vor Ort gesehen hat, dass damit durchaus etwas bewirkt worden ist. „Seit wir dort sind“, sagt Karsten Mertens, „hat sich die Infrastruktur verbessert. Denn die Armee gibt Sicherheit. Dadurch trauen sich andere Organisationen und auch Wirtschaftsunternehmen wieder ins Land.“

Auch gesellschaftlich habe sich einiges verändert. „Ich habe während meines jüngsten Einsatzes“ – er dauerte von Juli 2017 bis Februar 2018 – „eine Frau General in der afghanischen Armee kennen gelernt.“ Noch vor ein paar Jahren, sagt Karsten Mertens, wäre das undenkbar gewesen. Nicht nur, dass Mädchen unter Herrschaft der Taliban nicht zur Schule und Frauen nicht studieren durften, das Land sei auch völlig zerstört gewesen. Inzwischen befänden sich Masar-e Scharif, jene Großstadt, in deren Nähe sich mit dem Camp Marmar das größte Feldlager der Bundeswehr außerhalb Deutschlands befinde, aber auch die Hauptstadt Kabul in deutlich besserem Zustand.

„Natürlich ist alles ein sehr langwieriger Prozess“, bei dem es auch immer wieder Rückschläge gebe – zumal die Afghanen irgendwann mal dazu fähig sein sollen, ihr Land selbst zu befrieden, was angesichts der vielen Stammesfehden alles andere als einfach sei, sagt Karsten Mertens. Aber ihm fällt bei diesem Thema auch immer wieder ein, wie schwierig es zum Beispiel in der zivilisierten deutschen Gesellschaft „mit diesem Ost-West-Denken ist. Meine Generation wird wohl noch darüber hinwegsterben. Denn solche Prozesse dauern Jahrzehnte“, meint der Packebuscher, wissend, dass dieser Vergleich ein bisschen hinkt.

Bei seiner jüngsten Mission war es seine Aufgabe, im sogenannten Camp Shaheen, nur wenige Kilometer vom deutschen Camp Marmar entfernt, einen afghanischen Oberstleutnant zu beraten, wie Artillerie vor Ort eingesetzt werden kann. „Wir sind dazu täglich mit dem Helikopter dorthin geflogen und haben Ausbildung gemacht“, sagt Karsten Mertens, der dabei stets von einem Übersetzer begleitet wurde. Aber gegen Ende des Einsatzes konnte er selbst schon ein paar Brocken Dari (persische Form der afghanischen Sprache).

Natürlich habe zuweilen im Hinterkopf der verheerende Anschlang im Camp Shaheen umhergespukt, bei dem im April 2017 mehr als 140 afghanische Armeeangehörige von Attentätern getötet worden seien. „Aber dennoch hatte ich nicht ständig die Angst im Nacken“, sagt Karsten Mertens. „Ich war aber immer aufmerksam. Und die Waffe war stets zum Ziehen bereit“, beschreibt er seine tägliche Arbeitssituation.

Und wenn er gerade nicht arbeitete? Dann hat er gern in der Camp-Band gespielt – „in der war ich über die Monate die einzige Konstante“, sagt er –, hat unzählige Bücher gelesen, geliefert übrigens vom weltweit größten Onlinehändler, denn auch das ist in Afghanistan möglich. Und er hat natürlich Kontakt nach Hause gehalten.

Für Mertens ist es moralische Verpflichtung, was für andere nie infrage käme: „Ich würde wieder nach Afghanistan gehen“, sagt er, auch wenn es stets schwierig sei, seinen Zwillingssöhnen (7) die Notwendigkeit der langen Trennung zu erklären. Beim vorerst letzten Mal, so erzählt der Major, habe er aber lange im Voraus vom Einsatz in Afghanistan gewusst und die beiden behutsamer vorbereiten können als noch beim zweiten Einsatz 2012. Dabei habe sich diesmal auch positiv ausgewirkt, dass seine Söhne im Kindergarten Kontakt zu gleichaltrigen Afghanen hätten. Und als sie eingeschult worden seien, da habe er seinen asiatischen Einsatzort sogar für ein paar Tage verlassen können, um nach Deutschland zu fliegen.

Für Karsten Mertens, der sich bis 2029 verpflichtet hat, ist sein Dienst im Militär „die höchste Form des Patriotismus“. Denn er wolle seinem Land etwas zurückgeben, sagt er. „Ich hatte eine schöne Kindheit und Jugend, durfte entspannt meinen Hobbys nachgehen und Abitur machen. Ich habe sämtliche Freiheiten genossen. Und ich kann hier nach wie vor alles machen, wenn ich mich an die freiheitlich-demokratische Grundordung halte“, sagt der Packebuscher. Dass das längst nicht überall selbstverständlich ist, wer wüsste das besser als einer wie er?