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Autor Besondere Steine: Windkanter

Der gebürtige Letzlinger Reinhard Schwenecke brachte 2020 das Buch „Windkanter sind keine Windkanter, sondern …“ heraus.

Von Lea Weisbach 02.02.2021, 17:00

Letzlingen l „Zeitweise konnte ich das Wort Windkanter nicht mehr hören“, erzählt Reinhard Schwenecke amüsiert, wenn er an das Korrekturlesen seines Buches „Windkanter sind keine Windkanter, sondern …“ zurückdenkt. Im August 2020 wurde es nach knapp 20-jähriger Recherche zur Windkanter-Thematik veröffentlicht. Schwenecke ist sich sicher, dass bestimmt so mancher schon selbst einen Windkanter in den Händen gehalten hat.

Windkanter sind eine besondere Art von Feldsteinen mit einer ganz speziellen Form, die man beispielsweise in Feldsteinhaufen am Waldesrand oder auf Äckern finden kann. So auch in großen Mengen im Bereich Letzlingen.

Schwenecke wurde 1947 im Heidedorf Letzlingen geboren und ist dort auch aufgewachsen. Nach seinem Abitur zog er 1966 für das Studium zum Diplom-Ingenieur für Chemisches Apparatewesen nach Magdeburg. Doch auf welchem Wege ist er auf das geologische Phänomen Windkanter gestoßen?

Dies sei auf seinen Vater, den Lehrer Walter Schwenecke, zurückzuführen. Dieser sei nach dem Zweiten Weltkrieg „brotlos“ geworden und habe in Letzlingen bei seinem Bruder Unterkunft gesucht und gefunden. Da der Bruder Landwirt gewesen sei, habe Walter Schwenecke oft auf dem Feld mitgeholfen. Während dieser Arbeit habe er Ausschau nach Fossilien gehalten, von denen er auch einige, hauptsächlich Seeigel, gefunden und gesammelt habe. Daneben habe es jedoch auch andere interessante Steine gegeben, die ihn später in den Bann gezogen hätten – die Windkanter.

Er habe sich daraufhin mit mehreren Wissenschaftlern und Experten auseinandergesetzt, die ihm die angebliche Entstehung eines solchen Feldsteins erklärt hätten. Durch Windschliff, also das Abtragen von Gestein mithilfe von Sand, der durch den Wind transportiert werde, sei die charakteristische, außergewöhnliche Form der Windkanter entstanden.

Doch Walter Schwenecke zweifelte an dieser Theorie und forschte dann selbst viele Jahre zu dieser Thematik. „Googeln konnte man zu dieser Zeit leider noch nicht“, wirft Reinhard Schwenecke im Volksstimme-Gespräch ein. Dementsprechend sei es auch um einiges schwieriger für den Hobbyforscher Walter Schwenecke gewesen. Einige Wissenschaftler hätten seine Texte und Aufsätze gelesen und ihre Anerkennung gezeigt, jedoch sei er immer wieder abgewiesen worden, so dass er nach vielen Jahren das Thema Windkanter erst einmal ad acta gelegt habe.

15 Jahre nach dem Tod seines Vaters nahm Reinhard Schwenecke die Forschungen wieder auf. Er wollte das Phänomen unbedingt erklärt haben. Ein ausschlaggebender Punkt war ein Geologe aus Salzwedel, der auf eine Veröffentlichung seines Vaters aufmerksam geworden war und großes Interesse zeigte. „Da lohnt es sich, weiter zu forschen“, habe er zu Schwenecke gesagt.

Um die These des Windschliffs zu widerlegen, nahm Schwenecke eine umfangreiche Formanalyse von mehr als „tausend in der Letzlinger Feldmark gesammelten Steinen“ vor. Auf diesem Wege kam er zu der Erkenntnis, dass sich die Wissenschaft geirrt haben muss. Die Form eines Windkanters hänge mit der „Mikrostruktur der Gesteine zusammen“ und entspringe „einer einzigen primären Grundgestalt“ oder sei ein Teil von dieser, heißt es in seinem Buch. Was er direkt mit „Gestalten im engeren Sinne“ hinsichtlich der Windkanter meine, könnten Interessenten in seinem Werk „Windkanter sind keine Windkanter, sondern …“ nachlesen.

Bei seinen Forschungen habe er auch andere geologische Entdeckungen gemacht, die er in seinem Buch festgehalten habe. Während seiner Analyse hatte er keinerlei Hilfe von außenstehenden Experten. Dies war auch gewollt. Schwenecke „wollte sich nicht aus der Spur bringen lassen“, sondern seine „eigene Meinung bilden“.

Reinhard Schwenecke ist von der positiven Resonanz zu seiner Arbeit überwältigt. Mehrere Diplomgeologen hätten sich sehr positiv geäußert und das Buch als „sensationell“ und als „Werk mit hohem wissenschaftlichen Gehalt“ bezeichnet. Vor Kurzem habe sich auch ein Geologe aus Holland mit vielen interessanten Fragen bei ihm gemeldet.

Besonders glücklich sei er aber über die Reaktion seiner Tochter gewesen. Die habe von seinem Vorhaben nichts gewusst und war „ganz perplex vor Freude“, als er ihr ein Exemplar überraschend zukommen ließ. Aber auch seine Lebensgefährtin Susanne Wenzel (geborene Dell) habe einen entscheidenden Anteil am Erfolg des Buches. Sie habe unter anderem den Weg zum Verlag geebnet und ihre Erfahrungen als Buchautorin und Verlegerin eingebracht. Zudem habe Wenzel das Lektorat übernommen sowie den Großteil der Bilder geschossen und bei der Buchgestaltung mitgeholfen. Schwenecke erzählt, dass er eine Art Buchvorlage bekommen habe, die er dann mit Texten und Bildern habe füllen können. Das „war jedoch schwieriger als es im ersten Moment klingt“. Deshalb sei er auch für die große Unterstützung seiner Partnerin sehr dankbar. Heute leben beide in Bayern an der tschechischen Grenze. Dort haben sie ihr Zuhause gefunden. Zwar ohne Windkanter, dafür aber im Winter mit viel Schnee. Seiner Heimat Letzlingen sei Schwenecke dennoch sehr verbunden und freue sich auch immer über einen Besuch im Altmarkdorf. Aber er fühle sich an seinem Wohnort sehr wohl. Und er sagt, dass man überall zu Hause sein kann, solange man die richtigen Menschen um sich hat.