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Bibliothek Lesen - mal anders herum

Ganz neue Bücher gibt es seit einiger Zeit in der Gardeleger Bibliothek. Lesen kann sie allerdings nicht jeder.

Von Gesine Biermann 28.12.2016, 02:00

Gardelegen l Irgendwie ist es schon ulkig: Wer sie zum ersten Mal in die Hand nimmt, dreht sie zunächst ein bisschen hin und her – auf der Suche nach Vor- oder Rückseite – es sei denn, derjenige ist Araber.

Arabisch nämlich wird nicht, wie Deutsch und die meisten anderen hierzulande bekannten Sprachen, von links nach rechts, sondern genau anders herum gelesen und geschrieben. Auch die neuen arabischen Bücher in der Gardeleger Bibliothek machen da keine Ausnahme. Und natürlich muss man auch entgegengesetzt blättern. Das fühlt sich irgendwie fremd an. Auch ihr und den Kollegen sei das am Anfang so gegangen, gibt Bibliotheksleiterin Christiane Bräu lächelnd zu. „Außerdem war es gar nicht so einfach, sie ins System einzuarbeiten.“ Denn schließlich ist auch der Klappentext und somit die Kurzfassung der Inhaltsangabe arabisch geschrieben.

Und nicht jedes der neuen Bücher hat die Bibliothek analog auch deutsch im Bestand. Gut, dass dem Paket mit den arabischen Büchern eine Liste beilag, in der die Bücher kurz auf Deutsch beschrieben sind. So sind sie nun alle richtig zugeordnet und einsortiert – wenn sie denn da sind. „Die neuen Bücher werden nämlich oft ausgeliehen“, bestätigt Bräu.

Dass sie mittlerweile über 20 Bücher in der fremden Sprache im Bestand hat, freut sie sehr. Möglich gemacht hat das das Goethe-Institut gefördert, von der Japan Art Association. Beide hatten das Projekt „Einfach Lesen“ ins Leben gerufen und rund 300 Buchpakete mit insgesamt mehr als 6000 deutschen Kinder- und Jugendbücher in arabischer Übersetzung verschickt. „Wir haben uns als Bibliothek darum beworben und eines bekommen“, erzählt Bräu. Seither kann man zum Beispiel Cornelia Funkes „Herr der Diebe“, Erich Kästners „Konferenz der Tiere“ und sogar Grimms Märchen in arabischer Sprache ausleihen.

Ihren Platz haben die Bücher in den Regalen mit der fremdsprachigen Literatur gefunden. Gekennzeichnet sind sie mit dem Buchstaben J und der Ziffer 8. Alle mit den Inventarnummern 89 am Anfang sind arabisch. Das System wird von den meisten ostdeutschen Bibliotheken genutzt.

Erwachsenenliteratur ist zwar noch nicht im Bestand. „Sollte Bedarf bestehen, könnten wir aber über eine Fernausleihe versuchen, diese zu besorgen.“ Größere Bibliotheken hätten sicher einige im Bestand.

Die neuen Kinderbücher seien aber deshalb besonders wichtig, weil die Flüchtlingskinder so ihre eigene Sprache auch geschrieben sehen können, betont die Bibliothekschefin. Denn Bücher hätten im Flüchtlingsgepäck wohl selten Platz gefunden.

Spannend findet sie die neuen Medien aber nicht nur für die kleinen Muttersprachler. Auch für deutsche Kinder sei es interessant, mal zu sehen, wie arabische Bücher aussehen. Ihre Kollegin Cornelia Schön habe die Bücher deshalb auch schon im Rahmen der Aktion „Bibliothek – ich kenn mich aus“ vorgestellt.

Noch spannender könnte es werden, wenn Kinder auch den Klang der fremden Sprache erleben. Fürs kommende Jahr gibt es deshalb den Plan, ein Kinderbuch in mehreren Sprachen von Kindern aus den entsprechenden Ländern vorlesen zu lassen, verrät Christiane Bräu. Schließlich ist Lesen immer ein Vergnügen – und dann sogar international.