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Bikergottesdienst Wenn Motorradhelme zum Kreuz werden

Biker aus Gardelegen und der Region ließen sich den Segen geben, bevor sie in die Saison starteten.

Von Gesine Biermann 23.04.2018, 23:00

Gardelegen l Wenn das Kreuz aus zusammengelegten Motorradhelmen besteht, wenn die Lieder im Gottesdienst aus dem CD-Player scheppern und von den Stones oder Oasis stammen, wenn die, die sie begeistert und voller Überzeugung mitsingen, eine Lederkombi tragen, ja wenn sogar der Prophet Jesaja in „zeit- und anlassbezogener Bearbeitung“ zum Motorradfan wird, dann ist garantiert Gemeindepädagoge Lutz Brillinger „schuld“. Seit etlichen Jahren gibt der nämlich den Bikern der Region Gottes Segen mit auf ihre erste Ausfahrt.

Brillinger, langjähriger Gemeindepädagoge im Pfarrbereich Estedt, lebt und arbeitet zwar mittlerweile in Magdeburg, doch für seine altmärkischen Bikerfreunde kam er am Sonnabend gern. Und zwar in Doppelfunktion. Oben rum trug er das Collarhemd mit weißem Kragen – immerhin hielt er die Predigt. Brillingers Hose allerdings gehörte eindeutig zu seiner Motorradkluft. Schließlich war er selbst mit dem Trike da. Und mit ihm die Rainmakers und die Gardeleger Motorradfreunde und auch etliche Gäste aus nah und fern mit schweren Maschinen.

Die dickste hatte wohl Heiko Kreutzfeld aus Ackendorf. Seine Triumph „Rocket III“, Baujahr 2004, hat immerhin eine 2,3-Liter-Maschine und fährt in der Spitze rund 240 Stundenkilometer. Ein echtes Geschoss also. Dagegen sah die Schwalbe KR 51/1K von Ingolf Arndt aus Gardelegen eher niedlich aus. Als ältestes Gefährt (Baujahr 1979) wurde sie aber natürlich ebenfalls gebührend bestaunt.

Denn ohnehin kam es bei der ersten Ausfahrt, die nach der Andacht in Richtung Bismark startete, ja nicht auf Geschwindigkeit an. Eher aufs Gemeinschaftsgefühl. Und das teilen die Gardeleger Biker seit Jahren. „Unter jedem Helm steckt schließlich einer, für den das Motorradfahren ein Stück Freiheit bedeutet“, erinnerte Brillinger in seiner ganz besonderen Predigt. Motorradfahrer wüssten zwar nicht immer, wohin sie die nächste Kurve bringt, oder „ob unser Schutzengel bei Tempo 200 noch mitkommt“, dennoch seien alle Biker irgendwie miteinander verbunden: „Wir wissen zum Beispiel, dass Kaffee und Kuchen wichtiger sind als Benzin“, so Brillinger augenzwinkernd, „und wir wissen, dass einer, der dir sein Motorrad anbietet, dich wirklich liebt. Aber dass er dich noch mehr liebt, wenn du das Angebot ablehnst.“

Brillinger sprach aber auch davon, wie wichtig Toleranz auch und besonders auf der Straße ist und mahnte die Biker auf ihren PS-starken Maschinen zu Vorsicht.

Und dann hatte er noch einen Vorschlag, der viel Beifall fand: „Vielleicht wäre diese Strecke ja auch mal was für uns“, sagte er verschmitzt. Und dann stellte er den CD-Player wieder an. Und zwar„Route 66“ von den Stones.