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Corona „Von der Politik übergangen“

Mit der Aktion "Licht an" macht der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks auf die Situation des Handwerks aufmerksam.

Von Stefanie Brandt 29.01.2021, 16:19

Gardelegen l Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks ruft alle Salonbesitzer auf, vom 31. Januar bis zum 1. Februar 2021 das Licht in ihren Salons anzulassen, „bevor es ganz ausgeht“. Tatsächlich ist die Lage aufgrund der coronabedingten Schließungen auch für Gardelegener Friseur-Betriebe sehr schwierig. Ina Mertens, Inhaberin des Gardelegener Salons „Figaro 2000“, will mit ihrer Teilnahme an der Beleuchtungsaktion Geschlossenheit demonstrieren: „Ich mache das aus Solidarität den anderen gegenüber. Bei mir ist die Lage noch nicht so dramatisch, aber sie wird es, wenn wir am 15. Februar nicht wieder aufmachen dürfen.“

Zwar denke sie nicht über eine Schließung nach, aber der nächste Schritt wäre dann der zur Hausbank, um einen Kredit aufzunehmen. „Das mit den Überbrückungsgeldern hört sich zwar erstmal gut an für die Leute, aber so einfach ist das nicht, und dann dauert es lange, bis man etwas kriegt“, hält die Unternehmerin nichts von Augenwischerei.

Sie sehe auch, wie viele Leute trotz der Salonschließungen mit professionell geschnittenen Haaren durch die Stadt gehen. „Ich kann es einerseits verstehen, denn die Friseure müssen gucken, wie sie über die Runden kommen, das Kurzarbeitergeld ist ja nicht die Welt.“ Es gäbe aber auch Kunden, die direkt fragen, ob „man es nicht unter der Hand macht. Aber man soll die Kontakte beschränken, also hält man sich daran, weil man ja auch will, dass wir bald wieder öffnen können“. Es ärgere sie, dass die Politiker und Fußballer alle frisch frisiert auftreten.

„Wir haben uns an alle Auflagen gehalten, und Hygiene spielt in unserem Beruf sowieso eine große Rolle. Herr Spahn sagt im Interview, keiner hat sich bei uns angesteckt. Trotzdem werden die Salons wieder komplett dichtgemacht.“ Ina Mertens hat drei Angestellte und fühlt auch die Verantwortung ihnen gegenüber. Über Entlassungen denkt sie nicht nach. „Ich habe so ein gutes Team, das auch schon beim letzten Lockdown mitgezogen hat. Ich weiß, dass ich mich darauf verlassen kann, dass alle wieder von früh bis spät im Laden stehen, wenn es losgeht. Auch meine beiden Halbtagskräfte haben da voll mitgezogen.“

Unterschätzt wird in ihren Augen die Bedeutung der Friseure für das Wohlbefinden. Friseurbesuche und Kosmetik seien für viele ein Highlight. Gerade für ältere Leute sei es eine Möglichkeit, der Vereinsamung entgegenzuwirken, Sorgen loszuwerden, aber auch einfach mal über dummes Zeug zu reden. „Ich persönlich fühle mich von der Politik übergangen“, ärgert sie sich.

Marion Etter geht es ähnlich: „Ich habe zwei Salons, muss für beide Miete zahlen, und der im Krankenhaus ist sogar schon seit November geschlossen. Zwar habe ich finanzielle Hilfe durchs Steuerbüro beantragt, aber angekommen ist bisher noch nichts“, sagt sie.

Froh ist die Inhaberin der beiden Gardelegener City-Salon-Filialen, dass sie schon so lange selbstständig ist. „Dadurch habe ich bereits die Erfahrung gemacht, dass es auch mal schlechte Zeiten gibt und man Rücklagen braucht. Die ganzen Jungunternehmer in unserem Handwerk konnten doch gar nicht genug ansparen für so eine Situation.“ Sie habe drei Angestellte in Kurzarbeit, deren Ehepartner aber glücklicherweise zumindest alle in Arbeit seien. Schwer sei es trotzdem. Selbst ärgert sich Marion Etter, dass ihr zwar verboten wird, arbeiten zu gehen, sie als Unternehmerin aber trotzdem Krankenkassen- und Rentenbeiträge alleine weiter einzahlen müsse.

Bei allem Negativen hat die Friseurin aber auch den Blick für das Positive nicht verloren: „Sonst war der Friseurbesuch immer selbstverständlich. Nach dem ersten Lockdown haben wir dann oft gehört: ‚Schön, dass ihr da seid!‘ Man merkt, wie wichtig man für den Kunden ist.“ Einige Kunden blieben allerdings auch weg, Frauen ab 65 oder 70 hätten sich im ersten Lockdown teilweise die Farbe herauswachsen lassen, und einige Männer seien beim Maschinenschnitt durch die eigene Frau geblieben.

Auf die Arbeit, wenn die Salons dann wieder öffnen können, freut sich Etter aber schon: „Es ist interessant, was sich die Kunden selbst einfallen lassen haben, wie mutig sie teilweise werden. Wir freuen uns schon darauf, das wieder in die richtige Richtung zu kriegen.“ Die Zwangspause wurde im City-Salon für kleine Renovierungsarbeiten genutzt. Mit frischer Farbe an den Wänden und auf den Köpfen soll es dann nach dem Lockdown weitergehen.