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Denkmalschutz Backhaus: Kehrtwende beim Land?

Land- und Kreis sind einig: Das historische Backhaus in Gardelegen soll fallen. Doch der Einblick in die Akte lässt viele Fragen offen.

Von Gesine Biermann 08.10.2017, 03:00

Gardelegen l Es ist still geworden um das Backhaus am Großen Hospital. Doch der Schein trügt. Innerhalb der Behörden gehen seit April die Schreiben hin und her. Und zwar seit dem Ortstermin, der am 24. März in Gardelegen stattfand. Der war vom Landespetitions- ausschuss anberaumt worden. Der Grund: eine Eingabe des Stendaler Architekten Lutz Schwarzbrunn. Der will das historische Hofgebäude des mittelalterlichen Gebäudeensembles um jeden Preis erhalten. Die Gardeleger Hospitalstiftung als bisherige und die Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) als neue Eigentümerin der Immobilie wollen das Haus abreißen. Und der Landkreis als Untere Denkmalschutzbehörde hatte das auch schon genehmigt. Dann jedoch änderte sich die Sachlage mit dem Ortstermin Ende März.

Bereits Anfang April erreichte die Untere Denkmalschutzbehörde unter der Überschrift „Eilt sehr“ nämlich ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes, Referat Denkmalschutz, mit dem Hinweis, dass die Genehmigung zum Abriss des Bet- und Backhauses derzeit noch einmal geprüft werden müsse, da sich seit der am 7. März erteilten Abrissgenehmigung „wesentliche neue Erkenntnisse“ ergeben hätten.

Und das lag nicht in erster Linie an Schwarzbrunns Angebot, das Backhaus zu erwerben und auf eigene Kosten zu sanieren. Offenbar waren der Oberen Denkmalschutzbehörde zur vorherigen Prüfung gar nicht alle Unterlagen vorgelegt worden. So hatte man in Magdeburg wohl insbesondere keine Ahnung von der besonderen „Fallkonstellation“, die sich aus dem Kaufvertrag zwischen Hospitalstiftung und Wobau ergibt. Der nämlich habe „lediglich auszugsweise in Seite 1 bis 3“ vorgelegen, kritisierte Susanne Nolte, Referentin für Denkmalschutz beim Land. Auf den hinteren Seiten indes war vereinbart worden, dass die Wobau zwar seit dem 1. Dezember 2015 theoretisch alle Rechte eines Eigentümers innehat, die Eintragung ins Grundbuch aber erst erfolgen solle, wenn die Abrissgenehmigung des denkmalgeschützten Backhauses erfolgt sei.

Hintergrund dieser besonderen Vertragsgestaltung ist die Begründung für den geplanten Abriss. Die mittellose Stiftung hat den nämlich beantragt und nennt darin – durchaus berechtigt – die ihr wirtschaftliche Unzumutbarkeit eines Erhaltes als Abrissgrund. Ein Argument, das die wirtschaftlich gut situierte Wobau wiederum für sich nicht beanspruchen könnte.

Diese besondere Regelung, die ihr vorher nicht bekannt war, führe jedoch „zu einer erheblichen Veränderung der (...) Sach- und Rechtslage“, betonte die Referentin des Landesverwaltungsamtes. Denn auch die Wobau sei nun – neben der Stiftung – „auch als zusätzliche, möglicherweise auch als alleinige Verpflichtete (zum Erhalt des Denkmales) anzusehen.“ Auch die Wobau müsse, so Nolte, deshalb „die wirtschaftliche Unzumutbarkeit glaubhaft machen ...“ Genau aus dem Grund gibt es gleichzeitig auch Kritik an der Abrissgenehmigung, die der Kreis bereits erteilt hatte: „Der Stiftung hätte die Abrissgenehmigung vom 7. März 2017 keinesfalls allein, womöglich auch gar nicht erteilt werden dürfen ...“, heißt es in dem Schreiben weiter. Denn die habe möglicherweise gar keinen Anspruch mehr darauf, überhaupt einen Abrissantrag stellen zu können.

Das indes sieht man bei der Gardeleger Hospitalstiftung und bei der Wobau nicht so, wie aus einem Beratungsprotokoll der Unteren Denkmalschutzbehörde hervorgeht, das der Volksstimme in Kopie vorliegt: „Die Wobau wird keinen gesonderten Antrag auf Abriss stellen, sieht dies unter den vorliegenden Bedingungen auch als problematisch an“, heißt es im Protokoll von Kerstin Lingstädt vom Kreis-Bauordnungsamt. Und weiter: „...mit der Begründung auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit sowie überwiegendes öffentliches Interesse“ seien die Erfolgsaussichten (auf eine Abrissgenehmigung) laut Herrn Oelze „sehr gering, beziehungsweise gar nicht gegeben.“

Mit „Widerspruch und Klage“ droht sogar die Hospitalstiftung, sollte der bereits erteilte Genehmigungsbescheid dahingehend geändert werden, dass das Backhaus erst abgerissen werden darf, wenn ein entsprechender Antrag der Wobau ebenfalls genehmigt wurde. Und auch beim Altmarkkreis hält man, so der Tenor des Protokolls, an der Rechtmäßigkeit der Abrissgenehmigung fest. Deshalb wolle man das Land nun „angesichts des bestehenden Dissenses zwischen oberer und unterer Denkmalschutzbehörde um eine fachaufsichtliche Weisung bitten“, schrieb Kerstin Lingstädt Anfang Juni an das Landesverwaltungsamt Sie bat zudem um die Formulierung einer „möglichst rechtssicheren Nebenbestimmung“.

Doch urplötzlich ist – offenbar nach einem weiteren Vor-Ort-Termin in Gardelegen, an dem „Ihre Vorgesetzte, Frau Neugebauer, teilnahm“, wie Landrat Michael Ziche der Referentin Susanne Nolte kurz darauf mitteilte –, von einer Nebenbestimmung oder gar von der klaren Forderung nach einem Abrissantrag durch die Wobau keine Rede mehr. Zumindest nicht in der Akte zum Vorgang, die der Volksstimme vorliegt. Im Gegenteil: Plötzlich legt die Landesbehörde sogar einen Entwurf eines „öffentlich-rechtlichen Vertrages“ zwischen Landkreis, Stiftung und Wobau vor, in dem zwar die Vertragsparteien alle offiziell „die Denkmaleigenschaft des Gebäudekomplexes Großes Hospital anerkennen“, der Abriss des Backhauses aber dennoch genehmigt wird.

Und nicht nur das: Sogar diverse Änderungswünsche der Vertragspartner werden vom Land offensichtlich postwendend eingearbeitet. So hatte die Obere Denkmalschutzbehörde im ersten Entwurf noch formuliert: „Der Altmarkkreis verpflichtet sich, die (...) erteilte denkmalrechtliche Genehmigung (Abriss) unangetastet zu belassen und etwaige rechtliche Bedenken (...) zurückzustellen ...“

Solche „Bedenken“ habe es indes nie gegeben, versicherte Landrat Michael Ziche in einem Brief an Susanne Nolte. Und so ist im zweiten Entwurf des Vertrages auch gleich der „Verbesserungsvorschlag“ von Ziche eingearbeitet, nämlich: „Der Altmarkkreis geht im Einvernehmen mit der oberen Denkmalschutzbehörde davon aus, dass die vom Altmarkkreis am 7. März 2017 erteilte Genehmigung (Abriss) rechtmäßig ist. Von „rechtlichen Bedenken“ gegen den Abriss ist nun keine Rede mehr. Es herrscht offensichtlich nur noch „Einvernehmen“ zwischen Unterer und Oberer Denkmalbehörde. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag – extra dafür aufgesetzt – soll den Abriss des Backhauses auf rechtlich sichere Füße stellen. Sogar die Hospitalstiftung verzichtet darin auf die angedrohte Klage.

Nicht darauf verzichten wird indes Lutz Schwarzbrunn. „Wenn der Vertrag unterzeichnet wird“, werde er Klage beim Landesverwaltungsgericht einreichen, versicherte er gegenüber der Volksstimme. Die Klageschrift sei schon in Vorbereitung. Gegen die denkmalrechtliche Genehmigung des Abrisses hatte Schwarzbrunn bereits Widerspruch eingereicht. Dies teilte Landrat Michael Ziche in seinem Schreiben vom 29. August auch dem Landesverwaltungsamt mit. Sein Kommentar dazu: „Der Altmarkkreis Salzwedel beabsichtigt, den Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen.“