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Geschichtliches Ein Pferderennen in Gardelegen? - Was ein besonderes Relief aus früherer Zeit erzählt

Ein gerahmtes Metallrelief mit einer Pferdedarstellung – das erreichte die Gardelegener Stadtverwaltung per Post und weckte das Interesse von Mitarbeiter Rupert Kaiser. Er forschte nach.

Von Rupert Kaiser 20.06.2021, 08:30
Für spektakuläre Tierreliefs war der Berliner Bildhauer Oskar Pflug bekannt. Gern wurden sie auch als Preise verliehen.
Für spektakuläre Tierreliefs war der Berliner Bildhauer Oskar Pflug bekannt. Gern wurden sie auch als Preise verliehen. Foto: Hansestadt Gardelegen

Gardelegen - „Ich hätte da was für Sie …“ Mit diesem oder einem ähnlichen Einleitungssatz kommen mitunter Gardelegener in die Alte Apotheke und fördern dieses und jenes aus Taschen oder Beuteln zutage. Wir freuen uns immer, wenn Menschen beim Sichten von Nachlässen oder beim Aufräumen von Kellern und Dachböden an uns denken. Vieles haben wir schon gesehen. Vieles ist auch schon vorhanden. Doch dieser Tage brachte uns die Post ein wahres Schmuckstück ins Haus, ein Schätzchen, wenn Sie so wollen. Ein gerahmtes Metallrelief mit einer Pferdedarstellung. Signiert mit „O. Pflug fec. 08“ – O. Pflug fertigte dieses Stück im Jahre 1908.

Ein paar Klicks im Netz, und schon habe ich Klarheit. Es handelt sich um den Bildhauer Oskar Pflug. Der lebte von 1858 bis 1937 in Berlin und machte sich einen Namen mit Tierplastiken und ganz besonders mit solchen Reliefs. Es reicht für ihn zwar nicht zu einem Wikipedia-Eintrag, aber dafür zu vielen Meldungen bei ebay und auf den Seiten anderer Auktionshäuser… Auch Pferdedarstellungen werden zu guten Preisen angeboten.

Den lokalen Bezug liefert eine silberne Plakette auf dem Holzrahmen: „Ehrenpreis der Mitteldeutschen Privatbank Gardelegen zum Pferderennen am 12.10.1919 in Gardelegen“.

Preis von großem Kreditinstitut gestiftet

Der ehemalige Sitz der Mitteldeutschen Privat-Bank AG., Zweigniederlassung Gardelegen, existiert noch. Nur einen Steinwurf von der Alten Apotheke entfernt. Er ist nahezu unverändert erhalten. Magdeburger Straße 3, heute Ernst-Thälmann-Straße 2. Gleich neben dem Deutschen Haus. Die Mitteldeutsche hatte seinerzeit wirklich etwas zu melden im Bankwesen. Im „Führer durch Gardelegen und Umgebung“ von 1912 schaltet das Kreditinstitut eine große Anzeige. Im Text fasziniert mich am meisten die Floskel „Vermietung von Tresorfächern in unserer feuer- und einbruchsicheren Stahlkammer“. Ob es diese Stahlkammer noch gibt? Ob sie vom jetzigen Eigner des Hauses vielleicht sogar noch genutzt wird?

Hier also war der Preis, der nun vor mir auf dem Tisch liegt, gestiftet worden. Die Gravur der silbernen Plakette könnte der Bequemlichkeit halber gleich schräg gegenüber im Gold- und Silberwarengeschäft von Erich Beyer, auch Kunde der Mitteldeutschen, vorgenommen worden sein. Magdeburger Straße 119. Die Firma hat die Zeiten an gleicher Stelle überdauert. Heute Ernst-Thälmann-Straße 3. Der bot übrigens auch solche hochwertigen Reliefs an.

Wie der Preis zustande kam, wissen wir nun. Aber Pferderennen? In Gardelegen? Gardelegen ein zweites Ascot? Oder wenigstens ein zweites Hoppegarten? Einmal um den Wall vielleicht? Doch da war ja wohl der alte Alvensleben der letzte, der die Wallrunde wettreitenderweise unter die Hufe genommen und dann auch noch gegen die schnell mauernden Maurer vom Burgstraßen-Stadttor verloren hatte. Nicht wirklich ein Ruhmesblatt für Gardelegens Reiterei.

Remonteschule mit Rennbahn

Spaß beiseite. Wo in Gardelegen könnte ein Pferderennen stattgefunden haben? Wie so oft, schweigen sich die Chroniken aus. Sport ist nun einmal die schönste Nebensache der Welt. Aber eben nur eine Nebensache.

Zeitungen von damals sind nicht mehr vorhanden. Also frage ich nach bei Günter Hakenholz, Kenner der Gardelegener Pferdesporthistorie. Die Antwort kam wie aus der „Startpistole“ geschossen: „Ganz klar. Draußen in der Bismarker Straße. Auf den Anlagen der Remonteschule.“ Mein Einwand, dass die doch erst in den dreißiger Jahren errichtet worden sei, wird schnell beiseite geräumt. „Die Remonte, also eine Reit- und Fahrschule, bestand schon zu Kaisers Zeiten. Und die verfügte auch über eine Rennbahn. Musste sie auch, denn das Training auf solchem Geläuf gehörte und gehört ja zur pferdesportlichen Ausbildung.“

So rundet sich das Bild. Die Anlagen der Remonteschule, 1945 von den sowjetischen Streitkräften übernommen, sind nach deren Abzug im Jahre 1991, beseitigt worden. Lediglich der Straßenname „An der Remonte“ erinnert noch an die einstmals berühmte Reit- und Fahrschule. Ein Straßenname – und nun auch ein mehr als einhundert Jahre alter Ehrenpreis für den Sieg in einem Pferderennen…

Pferderennen in Gardelegen. Die Plakette beweist es.
Pferderennen in Gardelegen. Die Plakette beweist es.
Foto: Hansestadt Gardelegen