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Geburtstag Die zehnte Null und noch ein Jahr

Sie ist die drittälteste Bürgerin der Einheitsgemeinde Gardelegen: Erna Schulze aus Köckte ist 101 Jahre alt geworden.

Von Gesine Biermann 12.07.2017, 03:00

Köckte l Sie ist ein Kriegskind, wie viele andere ältere Menschen auch. Als sie geboren wurde, befand sich Deutschland allerdings noch im Ersten Weltkrieg. Es war das Jahr der Schlacht von Verdun, das Jahr des sogenannten „Steckrübenwinters“, Wilhelm II war an der Macht, der letzte deutsche Kaiser, und an dem Tag, als Erna Schulze geboren wurde, kam Rosa Luxemburg ins Gefängnis. Seit 1916 ist die Köckterin nämlich schon auf der Welt. Genau seit 101 Jahren. Und in dem Haus, in dem sie am 1916 das Licht der Welt erblickte, sitzt die Seniorin am Montagabend auch gut gelaunt im Kreise ihrer Familie. Und auch die gemütliche Stube – in der sie mit Sohn, Schwiegertochter, Enkeln und Ortsbürgermeister Torsten Polzin, der zum Gratulieren gekommen ist – am großen Abendbrottisch sitzt, gehört untrennbar zu ihrem Leben. „Das hier war die Gaststube“, sagt Erna Schulze nämlich schmunzelnd. Denn ihr Elternhaus war, seit sie denken kann, ein Gasthaus.

Und zwar so richtig mit Gaststätte und angrenzendem Saal – wo sie zum ersten Mal mit Ehemann Fritz tanzte – Gästezimmern und sogar einem Stall, in dem fahrende Reisende Pferd und Wagen unterstellen konnten. „Autos gab es ja damals noch nicht so viele.“ Jedenfalls nicht in Köckte. „Dafür vier Kneipen.“ Und eine davon gehörte ihren Eltern, später, da der Vater nicht aus dem ersten Krieg zurückkommt, der Mutter und dem Stiefvater, noch später ihr und Ehemann Fritz. Hier ist der Mittelpunkt ihres Lebens. Hier spielt das Leben – auch aus dörflicher Sicht. Einmal habe jemand versucht, sein Pferd mit reinzubringen, erinnert sich Erna Schulze. „Der war natürlich schon ein bisschen angeheitert.“ Der Vater warf den tierischen Gast zwar gleich wieder raus. Für Gelächter sorgte der Zwischenfall aber dennoch.

Und lächeln kann auch die älteste Köckterin noch mit 101 Jahren, auch wenn nicht mehr alles so gut geht wie früher. „Zeitung lesen kann nicht mehr“, sagt die Jubilarin. Aber zum Glück gibt es ja den Fernseher. Serien schaut sie dann und wann, aber vor allem die Nachrichten sieht sie mit Interesse. Und auch wenn sie sich lange Wege nicht mehr zutraut: In ihrer Wohnung kann sie sich selbstständig bewegen. „Ich muss ja die Treppe nicht mehr rauf“, seit die Kinder ihr im Erdgeschoss die Wohnung ausgebaut hätten, erzählt sie froh. Zwei Zimmer, Bad und Küche sind ihr Reich. Und dort schält sie ihre Kartoffeln fürs Mittagessen sogar noch selbst. „Und wenn ich zum Friseur muss oder andere Besorgungen habe, fährt mich meine Schwiegertochter“, sagt sie stolz. Es sei schön, wenn man so eine Familie habe.

Und die wird sich am kommenden Sonnabend komplett einfinden: die beiden Söhne – einer lebt im Haus in Köckte, der andere in Hamburg – mit ihren Familien. Vier Enkel und zwei Urenkelkinder gehören dazu. Dann wird sicher auch der Hefezopf angeschnitten: Eine riesige 101, den sie am Montag auf ihrem Geburtstagstisch neben Blumen und Pralinen fand.

Am Geburtstagsmorgen gab es zudem eine musikalische Überraschung. Die Kinder aus dem Köckter Abenteuerland waren gekommen, um ihr ein Ständchen zu singen. „Ja, die Kinder haben schon oft für mich gesungen“, gibt Schulze augenzwinkernd zu. „Und auch schon für meine Mutter.“ Die sei nämlich auch 98 Jahre alt geworden. Gute Gene also. Aber wie wird man nun so alt? Erna Schulze denkt ein bisschen nach: Eigentlich, sagt sie, sei sie selbst „ganz verwundert, wie schnell die Jahre dahingegangen sind.“ Und es habe immer genug zu tun gegeben, in der Gaststätte und in der Landwirtschaft. Gesundes Essen, immer selbst gekocht, könnte vielleicht ein Grund sein, schlägt ihre Familie vor. „Und außerdem mag Oma gern Merci-Schokolade.“ Also doch eine geheime Leidenschaft.