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Gericht Anklage wegen 110-Missbrauchs

Ein Autofahrer und seine Beifahrerin standen vor dem Gardeleger Amtsgericht. Der Vorwurf: Missbrauch des Notrufs.

Von Petra Hartmann 18.07.2018, 03:00

Gardelegen l Missbräuchliches Wählen der Notrufnummer warf die Staatsanwaltschaft einem 54-Jährigen aus einem Gardeleger Ortsteil und seiner 50-jährigen Beifahrerin vor. Die beiden waren am 3. Juni 2017 auf dem Parkplatz des Gardeleger Aldi-Marktes bei einer Verkehrskontrolle mit zwei Polizisten aneinandergeraten und hatten dreimal den Notruf benutzt, um sich über die Beamten zu beschweren.

Um 11.11 Uhr wählte der 54-Jährige zum ersten Mal die 110 und beschwerte sich über die „Kasper“, die ihn kontrollieren wollten. Der zweite Anruf erfolgte um 11.13 Uhr, schließlich rief die 50-jährige Beifahrerin um 11.18 Uhr ein drittes Mal an und beschwerte sich.

Eigentlich hätten sie nur einkaufen wollen, erzählte der 54-Jährige. Am Salzwedeler Tor sei ein Polizeibus hinter ihm sehr dicht aufgefahren. Als er sein Auto auf dem Parkplatz abgestellt habe, habe der Polizeibus hinter ihm geparkt, und der Beamte habe gesagt: „Guten Tag, allgemeine Verkehrskontrolle. Führerschein, Fahrzeugpapiere und Personalausweis bitte.“ Allerdings in einem Tonfall, der dem Fahrer unhöflich vorkam. „Ich kann auch so ‚Guten Tag‘ sagen, dass es sich wie ‚Arschloch‘ anhört“, sagte er.

Er habe darauf hingewiesen, dass der Wagen bereits abgestellt sei, es sich also um ruhenden Verkehr handelte. Außerdem habe er dem Polizisten gesagt, er hätte seinen Personalausweis nicht dabei. „Dann mutierte die Verkehrskontrolle zur polizeilichen Maßnahme“, beschwerte sich der Angeklagte. „Ich habe gedacht, wenn das noch weitergegangen wäre, dann wäre es noch zum Dritten Weltkrieg erklärt worden.“

Die Polizisten hätten ihn danach durchsucht, um den Personalausweis zu finden, obwohl er ja bereits erklärt gehabt habe, das Dokument nicht bei sich zu haben. Als der Mann versuchte, das Geschehen mit der Kamera aufzunehmen, wurde das Gerät beschlagnahmt. „Ich finde es lachhaft“, sagte er vor Gericht. Er warf der Polizei „Verfolgung Unschuldiger zwecks Einschüchterung“ und den Diebstahl seiner Kamera vor. Daraufhin habe er „ein oder zwei Mal den Notruf angerufen und darum gebeten, dass man andere Beamte schickt. Es kreisten ja genügend an dem Tag.“

Auch seine Beifahrerin fand den Tonfall des Polizisten offenbar unangemessen. Als der Fahrer Kamera-Aufzeichnungen gemacht habe, hätten die Beamten auf ihrem „Recht am eigenen Bild“ bestanden und sich über die „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ beklagt. Dann hätten sie die Kamera an sich genommen und gesagt: „Die kriegen Sie auch nicht mehr wieder.“ Der eine Polizist habe die 50-Jährige am Oberarm gepackt. Sie hätte lange Zeit noch Schmerzen im Arm gehabt. „Es kann doch nicht sein, dass Polizisten wehrlose Menschen beleidigen und bedrohen“, beklagte sie sich. „Ich habe Angst gehabt. Der eine Beamte hat immer die Hand auf seinem Pfefferspray gehabt. Habe ich da nicht das Recht, Angst zu haben?“ Da habe sie eben den Notruf angerufen und gesagt, dass sie belästigt und bedrängt werde.

„Hier in Sachsen-Anhalt wird man ja schon mit zwölf Jahren kastriert, hier hat doch keiner den Mut, das Maul aufzumachen“, beschwerte sich der 54-Jährige. Und er sah es auch als Versuch, ihn einzuschüchtern, dass einer der vier Polizisten, die als Zeugen geladen waren, in Uniform zum Prozess erschien.

Der Uniformierte, ein Polizeioberkommissar aus Salzwedel, war zu dieser Zeit Einsatzleiter gewesen, als die drei Notrufe in der Salzwedeler Wache eingingen. Er sagte aus, er habe die elektronische Tonspur gesichert, eine Strafanzeige geschrieben und den Vorgang an die Kriminalpolizei in Gardelegen weitergeleitet. Auf der Tonspur sei zu hören gewesen, dass die Beamten „den Kasper machten“. Auch habe der Anrufer gefragt, „ob er in Nazideutschland sei“.

Richter Axel Bormann wies die beiden Angeklagten, die nicht vorbestraft sind, darauf hin, dass der Notruf lediglich in Notsituationen benutzt werden soll. Er stellte das Verfahren daraufhin ein. Die Kosten des Prozesses trägt die Staatskasse, für ihre eigenen notwendigen Auslagen müssen die beiden Angeklagten selbst aufkommen. Die Kamera erhielt der 54-Jährige zurück.