1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Erschütternde Aussagen im Missbrauchs-Fall

Gericht Erschütternde Aussagen im Missbrauchs-Fall

Wegen sexuellem Missbrauchs muss sich ein Mann aus der Einheitsgemeinde Kalbe vor dem Landgericht Stendal verantworten.

Von Doreen Schulze 03.07.2020, 16:58

Kalbe/Stendal l Mit hochrotem Kopf sitzt der 32-Jährige auf der Anklagebank vor dem Landgericht Stendal. Er soll im Januar 2019 seine damals neunjährige Tochter mit dem Finger in eindeutiger Weise im Intimbereich berührt haben. Weiterhin wird dem Mann, der in der Einheitsgemeinde Kalbe lebt, vorgeworfen, Fotos, auf denen sie unbekleidet und in aufreizender Pose zu sehen ist, an Dritte verschickt zu haben. Was dem Angeklagten zur Last gelegt wird, kann eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Strafmildernd werde bewertet, wenn er geständig sei und so dem Kind eine Aussage vor Gericht erspare, belehrt ihn der vorsitzende Richter.

Der Angeklagte möchte aussagen. Der junge Mann mit kräftiger Statur, an den Armen tätowiert, beginnt zu erzählen. „Punkt eins stimmt zu hundert Prozent“, sagt er. Er erinnert sich, dass es „eigentlich ein ganz normaler Abend“ war, an dem es passiert ist, dass er seine Tochter „dort“ berührt habe. Die Kinder, es gibt es noch zwei Geschwister, saßen alle schon im Schlafanzug auf der Couch. Sie schauten Fernsehen, kuschelten gemeinsam. Er hatte Alkohol getrunken. „Das möchte ich aber nicht als Ausrede stehen lassen.“ In Gedanken hing er seiner Ex-Freundin nach, berichtet er. Und da sei es passiert, dass er der Tochter unter die Schlafanzughose griff und ihr Geschlechtsteil berührte. Als das Mädchen „Aua“ rief, sei ihm erst bewusst geworden, was er da tat, dass es nicht seine Ex-Freundin war. Kurz danach habe er seine Kinder zu Bett gebracht. Mit der Tochter noch einmal über den Vorfall geredet, habe er nicht.

Ob er tatsächlich in sie eingedrungen sei, will der Richter wissen. So genau könne er sich nicht mehr daran erinnern, erwidert der Beschuldigte. Dies allerdings sei ein wichtiges Detail, das dringend geklärt werden müsse. Wenn der Angeklagte dazu keine Auskunft geben könne, müsse das Mädchen befragt werden, gibt der Richter zu bedenken. Für wenige Minuten wird die Verhandlung unterbrochen In einem Vier-Augen-Gespräch berät sich der Angeklagte mit seinem Verteidiger. Wieder auf der Anklagebank gesteht er: „Das ist so passiert. Ich bin mit meinem Finger in sie eingedrungen.“ Mit den Tränen kämpfend gesteht er ein: „Ich habe meiner Tochter dort weh getan.“

Warum Bilder von seiner unbekleideten Tochter per WhatsApp verschickt wurden, erklärt der 32-Jährige so: Seine beste Freundin habe der Tochter einen Pullover geschenkt. Er machte Bilder, wie sie diesen trägt, um die Fotos der Freundin zu schicken. Da er zu diesem Zeitpunkt aber ein „Schrotthandy“ hatte, wie er sagt, müssten die Fotos versehentlich verschickt worden sein. An wen ist nicht mehr auszumachen, da das Foto bereits gelöscht worden war, durch Polizeibeamte aber wieder hergestellt werden konnte. Aus den Fotos in den Akten gehe für ihn nicht hervor, dass die Bilder, die das Mädchen nackt und in aufreizender Pose darstellen, zufällig beim An- und Ausziehen des Pullovers entstanden seien, so der Richter. Als der Beschuldigte noch einmal gefragt wird, ob er gezielt Fotos von seiner nackten Tochter machte, sagt er ganz leise „Ja“, und greift daraufhin zu einer Packung Taschentücher und schnäuzt sich. Er wollte nicht, dass diese Bilder weiter verbreitet wer- den, versichert er.

Allerdings gibt es auch einen WhatsApp-Chatverlauf mit einer Frau, in dem es um sexuelle Handlungen gehe, und auch, ob die Tochter dabei zuschauen werde, was der Vater jedoch verneinte. Auf die Frage, ob es sich bei dieser Kommunikation um sexuelle Interaktionen unter Erwachsenen handele, bei denen das Kind einbezogen werden sollte, verneint der Vater. Für ihn habe das alles in der Fantasie stattgefunden. Realität sollte das nie werden, sagt er.

Als Zeugin ist am Donnerstag schließlich eine Polizeibeamtin vorgeladen, die die Aussage des Kindes aufgenommen hatte. Sie berichtet, dass das Mädchen sehr offen über ihre Familie gesprochen, und dann ganz spontan gesagt habe: „Mein Papa hat meine Mumu angefasst.“ Zu Details konnte oder wollte sich das Kind dann aber nicht weiter einlassen und begann verschämt zu reagieren, berichtete die Zeugin.

Da der Angeklagte sich geständig zeigt, wird darauf verzichtet, weitere Zeugen, die WhatsApp-Chatpartnerin und die Mutter des Kindes sowie das Mädchen selbst, anzuhören. Am nächsten Verhandlungstag soll sich ein Gutachter zum Angeklagten sowie zu dessen Lebenslauf äußern.

Hinweis: Sollten Sie sich betroffen fühlen, wenden Sie sich bitte an die Telefonseelsorge. Diese erreichen Sie auch unter den kostenlosen Telefonnummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Dort erhalten Sie anonym, offen, gratis und ideologiefrei Hilfe.