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Gericht Polen-Böller in der Silvesternacht

Mit illegalen Sprengkörpern soll ein 24-Jähriger in der Silvesternacht nach Personen geworfen haben. In Gardelegen begann der Prozess.

Von Petra Hartmann 22.06.2018, 12:00

Gardelegen/Engersen l „Polen-Böller“ sind keine harmlosen Silvesterknaller, sondern sie haben eine „Lautstärke, vergleichbar mit einem Düsenjet in 25 Metern Entfernung“, wie Richter Axel Bormann sichtlich beeindruckt mehrfach aus dem Gutachten eines Sachverständigen vom Landeskriminalamt zitierte. Die Knaller werden in China hergestellt und über Polen vertrieben und sind in Deutschland illegal.

Solche Böller soll der 24-jährige Angeklagte zu einer Silvester-Party nach Engersen mitgebracht haben. Darüber, dass er besonders laute Sprengkörper gezündet hat, darüber sind sich die Zeugen weitgehend einig. Weit auseinander gehen die Aussagen jedoch darin, ob jemand nun tatsächlich Böller gegen das Werkstatt-Tor eines Metallbauers geworfen oder den 60-Jährigen selbst mit den Sprengkörpern angegriffen hat. Zwischen den beiden betroffenen Familien gibt es nämlich schon seit Jahren Streit.

Der Metallbauer und seine Familie hatten bei dessen Sohn in derselben Straße rund 150 Meter von der Werkstatt entfernt den Jahreswechsel gefeiert. Er habe die Werkstatt von dort aus nicht sehen können, sagt der 60-Jährige, aber aus der Richtung starke Lichterscheinungen wahrgenommen. Als er zur Werkstatt kam, habe er den Angeklagten gesehen, wie er „Blitzknaller“ gegen das Tor warf. „Ich habe gerufen, er soll damit aufhören. Aber ich hatte kaum ausgesprochen, da flogen die Knaller schon in meine Richtung.“ Der Nachbar hätte den Werfer dann am Arm gepackt und weggezogen. Es habe eine Rangelei gegeben. Nein, er selbst sei nicht verletzt worden, sagte der 60-Jährige. Zwischen ihm und dem 24-Jährigen seien rund acht Meter Straße gewesen. Einmal sei ein Böller vor seinen Füßen detoniert. „Dann hat er direkt auf den Körper geworfen, und ich musste ausweichen.“ Es sei gewesen, „als wenn er eine Handgranate gezündet hätte. Ich hatte panische Angst.“

Seine Frau sagte zunächst aus, ihr Mann sei hin und her gesprungen wie ein Hampelmann. Allerdings erzählte die 57-Jährige auch, sie sei erst „eine ganze Weile“ später zur Werkstatt gegangen, als ihr Mann nicht wieder zurückgekehrt sei. Gesehen habe sie nur „was aufblitzen, was helles“, revidierte sie auf Nachfragen des Richters. Bei der Anhörung durch die Polizei habe sie zu Protokoll gegeben: „Ich lief zu meinem Grundstück und sah dass unsere Nachbarn mit Besuch meinen Mann mit Böllern beschmissen“, wie Axel Bormann ihr vorlas. Nein, sie habe nur gesehen, „dass eine Person geschmissen hätte vom Parkplatz auf meinen Mann.“

Auch der Sohn der beiden wich in mehreren Punkten von seiner Aussage bei der Polizei ab. Seine Schwester habe ihn von der Party zur Werkstatt gerufen, so der 28-Jährige. Daraufhin sei er zur Werkstatt geeilt. „Wir haben uns gegenseitig beleidigt“, erzählte er, es habe ein Gerangel und eine Schubserei gegeben. Böller habe er selbst nicht gesehen.

Allerdings vermerkte das Polizeiprotokoll vom Juni 2017 als Aussage, sein Vater sei „von einer mir nicht bekannten Person mit Böllern beworfen worden“. „Also, nächstes Silvester feiern Sie friedlich oder machen eine ordentliche Aussage“, ärgerte sich Bormann.

Auch die 31-jährige Schwester des Zeugen bekam zu hören: „Das passt alles nicht mit dem zusammen, was Sie heute erzählen.“ War sie nun zuerst allein zur Werkstatt geeilt und hatte dann ihren Bruder nachgeholt, oder war sie erst zusammen mit ihrem Bruder losgelaufen? „Dann habe ich mich wohl falsch ausgedrückt“, relativierte die Zeugin. Sie sei erst später hinzugekommen, habe also keine fliegenden Böller mehr gesehen.

Der Angeklagte war zu Gast auf einer Party des Nachbarn der Werkstatt, mit dessen Tochter er verlobt ist. Seine zukünftige Frau erzählte, dass sie bei dem anschließenden Gerangel zu Boden gegangen sei und einen Tritt ins Gesicht bekommen habe. Ihr Verlobter habe zwar Böller gezündet, „die haben halt lauter geknallt als andere“. Er habe aber die Sprengkörper „nur auf die Straße geworfen“. Weitere Gäste erinnerten sich an die Böller, aber nicht daran, dass er sie nach Personen geworfen habe. Der Prozess wird mit weiteren Zeugen fortgesetzt.