1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Opfer: "Volles Brett auf den Hinterkopf"

Gerichtsverhandlung Opfer: "Volles Brett auf den Hinterkopf"

Wegen Raubes müssen sich zwei Männer vor dem Gardeleger Amtsgericht verantworten.

Von Ilka Marten 26.01.2016, 17:50

Gardelegen l Weil sie einen jungen Mann, der ein T-Shirt und ein Basecap mit rechtsorientierten Motiven trug, angegriffen hatten, stehen zwei Männer – einer aus einem Gardeleger Ortsteil, einer aus Magdeburg – vor dem Schöffengericht. Fünfeinhalb Stunden dauerte die erste Verhandlung.

Im Juni 2014 sollen die beiden Männer, 25 und 22 Jahre alt, den 27-jährigen Gardeleger nachmittags in der Nähe des Walls attackiert haben. „Bleib stehen, du Nazi-Sau“, zitierte die Staatsanwältin aus der Anklageschrift. Doch bei dieser verbalen Attacke blieb es nicht. Die Männer sollen dem Gardeleger Faustschläge gegen den Hinterkopf verpasst haben. Der 25-jährige Angeklagte, ein angehender Erzieher, soll dann von dem Geschlagenen das Basecap abgefordert haben. Die Anklage lautet daher auf Raub.

Doch der 25-Jährige schildert den Nachmittag deutlich anders: In der Innenstadt sei ihm und dem Mitangeklagten der 27-Jährige mit seinem T-Shirt und dem Cap aufgefallen, der ebenfalls in Begleitung eines Freundes war. Auf Höhe des Walls hätte er dann gerufen, dass der Typ mit dem T-Shirt stehen bleiben soll. Aber das tat er nicht. „Dann habe ich ihn gestoßen“, sagte der 25-Jährige. Er bestritt, dass er das Opfer geschlagen habe. Der zweite Angeklagte habe den Gardeleger ebenfalls gestoßen, dann am T-Shirt festgehalten, wobei das Shirt gerissen sei.

„Weinerlich und ängstlich“ sei der Mann dann gewesen. Sie wollten ihn nur drauf ansprechen, warum er das trage. Das Basecap, versehen mit Soldaten- und Wikingersticks, habe er dann freiwillig abgegeben, weil er eingesehen habe, dass das Tragen dieser rechten Klamotten nicht in Ordnung sei. „Wir haben die Mütze dann in den Müll geworfen“, so der 25-jährige Angeklagte. Er selbst habe schon immer was gegen Nazis, begründete der angehende Erzieher, warum er den Gardeleger an diesem Juni-Tag angegangen habe.

Die Schilderungen des Opfers wichen davon deutlich ab: „Mir wurde schwarz vor Augen“, sagte er über den Moment, als er die zwei Schläge spürte. Er sei auf die Straße getaumelt. Die Schläge „waren zweimal volles Brett auf den Hinterkopf.“ Wer genau geschlagen habe, habe er nicht gesehen. Der Kumpel, mit dem er gemeinsam unterwegs war, habe daneben gestanden und zugeschaut. Der Richter: „Das ist aber auch kein netter Kumpel.“ Nach den Schlägen hätte ein Angeklagter dann dreimal gefordert, das Basecap rauszurücken. „Der stand mit geballter Faust da.“

Nach den Schlägen ging der Gardeleger mit zerissenem Shirt – und ohne Basecap – nach Hause. Sein Schwager fuhr ihn dann zunächst zur Polizei, dann zum Klinikum. Dort blieb der Mann, der nach eigenen Angaben starke Kopfschmerzen hatte, allerdings nicht – gegen den Rat des behandelnden Arztes.

Drei bis vier Wochen nach dem Vorfall habe er noch sehr starke Kopfschmerzen gehabt. „Aber ich habe Antibiotika gegen die Gehirnerschütterung bekommen“, schilderte der 27-Jährige. Das Antibiotikum habe er dann „vier Wochen lang“ eingenommen. Immer wieder verstrickte er sich in Widersprüche, etwa wann er genau bei seinem Hausarzt war. Auch war die Aussage bei der Polizei nicht so konkret wie gut eineinhalb Jahre nach dem Vorfall vor Gericht.

Während der sehr langen Befragung des Zeugen und Nebenklägers durch die Anwälte der Angeklagten gab es teils hitzige Wortgefechte zwischen den Anwälten und der Staatsanwältin. Unter anderem war von einem Verteidiger zu hören: „Ich weiß, Frau Staatsanwältin, Sie haben kein Interesse, das hier aufzuklären.“

Ein unbeschriebenes Blatt war das Opfer dieser Tat allerdings nicht: Er war wegen Volksverhetzung als Beschuldigter bei der Polizei geführt. Wenig voran brachten die Erinnerungen des Freundes des Opfers die Verhandlung. Er könne sich nicht mehr an viel erinnern, dabei stand er nur wenige Meter daneben. „Ich habe aber gesehen, wie sie ihm die Mütze abgenommen haben.“

Auch der Schwager des Opfers, nach eigenen Aussagen bis 2010 rechtsorientiert, trug nichts Erhellendes bei. Er hatte den 27-Jährigen zur Polizei gefahren und dabei auf dem Tivoli die zwei Männer erkannt, die seinen Schwager niedergeschlagen haben sollen. „Keine Ahnung“, sagte er immer wieder. Auch wenn Richter und Anwälte ihn mit seinen stark differierenden Aussagen bei der Polizei und bei der Verhandlung konfrontierten, störte den Gardeleger das wenig. Das Verfahren wird fortgesetzt.