Geschichte Dem Internet sei Dank

Die Geburtsstunde eines Ortes ist auf die erste urkundliche Erwähnung datiert. Was ist, wenn ein Dokument eine andere Zahl ins Spiel bringt?

Von Leonie Dreier 18.03.2020, 23:00

Köckte l Der 75-jährige Michael Grabe lebt seit 50 Jahren in Köckte. Ursprünglich kommt der Rentner aus Thüringen. Was hat ihn in die Altmark verschlagen? „Vor meinem Studium zum Lehrer musste ich zur DDR-Zeit unterschreiben, dahin zu gehen, wo Lehrer gebraucht werden“, erklärt Grabe.

Noch vor seiner Rente hätte ihn der ehemalige Direktor seiner Schule, Hans Brenecke, gebeten, sich der Chronik des Dorfes anzunehmen. „Darum hat sich damals lange keiner gekümmert“, meint Grabe. Auch er habe erst 2014 angefangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Als Hilfe lag ihm der Bericht dreier Frauen vor, die sich im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit Köckte beschäftigt hatten. Dieser Bericht stammt aus dem Beginn der 1990er-Jahre.

Grabe lag während seiner Forschungen die erste urkundliche Erwähnung Köcktes vor. Am 25. November 1394 wurde der Ort in einem Kaufvertrag zwischen Gebhardt von Berenbruke und den Herzögen Bernhard und Heinrich von Braunschweig/Lüneburg erstmal erwähnt. Von Berenbruke verkaufte Köckte neben anderen Dörfern für 45 Silbermark.

Wenn man also von diesem Datum ausgeht, hätte Köckte im vergangenen Jahr den 625. Jahrestag feiern können. „Es sollte auch ein Fest stattfinden, aber die Planungen haben sich zerschlagen“, sagt Grabe.

Er habe sich allerdings gefragt, wenn Köckte damals verkauft wurde, müsse es natürlich schon vorher existiert haben, und ging auf die Suche.

Im Ortschaftsrat habe er dann verkünden können, dass er noch eine andere Jahreszahl gefunden habe, die belege, dass Köckte schon vor 675 Jahren Bestand gehabt haben müsse. Im Buch „Singularia Magdeburgica“ von Samuel Walters aus dem Jahr 1737 hat der Senior ein Schriftstück gefunden, das aussagt, dass Kurfürst Ludwig von Bayern jährlich Einkünfte an Henricus von Kökede zahlt. Zudem wird Kökede als Ort zwischen Trippigleben und Dannefeld näher beschrieben. „Ludwig von Bayern gehörten im 14. Jahrhundert große Teile der Altmark“, informiert er.

Diesen Erkenntnissen steht jedoch ein weiteres Dokument entgegen. Auf der Folgeseite im Buch steht, dass Kurfürst Ludwig Wiesen am Tanger Holz verschenkt hat. Dieses Gebiet ließe sich aber auf das Köckte bei Tangermünde zurückführen, gibt Grabe an.

Um Unklarheiten aus dem Weg zu räumen, hat sich Grabe dann mit der Herkunft des Ortsnamens auseinandergesetzt. „Kokot“ bedeutet „Hahn“. Nach einem Mann mit diesen Namen soll der Ort benannt worden sein, der wahrscheinlich ein Vorfahre von Henricus von Kökede sein soll. Auf die Frage, woher Grabe seine Information habe und wie er auf Walters Buch aufmerksam geworden sei, antwortete er mit einem Lächeln: „Hauptsächlich aus dem Internet.“ Seine Quellen habe er 2018 und 2019 ausfindig gemacht.

Grabes Darlegungen seiner Erkenntnisse stießen bei der Ortschaftsratssitzung Ende Januar auf Interesse. So einigte sich der Ortsrat darauf, dass zukünftig 1345 als das Jahr der ersten Erwähnung des Ortes gilt, die aber nicht unmittelbar durch eine Urkunde belegt ist.

Und so soll in diesem Jahr nun das 675-jährige Bestehen des Ortes gefeiert werden. In welcher Form, das ist noch unklar, so Ortsbürgermeister Torsten Polzin.