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Handwerk Moritz geht auf die Walz

Maurergeselle Moritz Neß ist unterwegs: Zurück nach Gardelegen in die Altmark darf er frühestens in drei Jahren und einem Tag.

Von Doreen Schulze 07.03.2018, 05:46

Gardelegen l Er wird seinen Namen ablegen. In den kommenden Jahren wird er Moritz Fremd Maurer FSB sein. FSB für Freier Begegnungsschacht, Fremd für die Zeit in der Fremde.

Bevor die Walz beginnt, wurde am Wochenende aber noch ausgiebig Abschied gefeiert, mit Familie und Freunden und Wandergesellen und –gesellinnen, die aus allen vier Himmelsrichtungen kamen. Auf dem Lindstedter Gutshof feierten an die 60 Leute.

Am Montag dann der Abschied. Zur Mittagszeit treffen sich Verwandte, Freunde und Wandergesellen am Ortsausgangschild. Dort wird der Gardeleger traditionsgemäß verabschiedet und auf die Walz geschickt.

Bevor er losgehen darf, muss er ein Loch am Ortsausgangsschild buddeln. Etwa schulterbreit und 80 Zentimeter tief, damit der Frost nicht nach unten dringt. Hinein kommt die Schnapsflasche, aus der zuvor jeder der Gäste einen Schluck nahm. Altgeselle Maximilian Fremd Schmied FSB erklärt den Brauch. „Wenn er nach drei Jahren und einem Tag nach Hause kommt und dort ist nichts mehr da, hat er immer noch diese Flasche.“

Und noch ein Brauch folgt: Moritz muss auf das Ortsausgangsschild klettern und lässt sich in die Arme der anwesenden Wandersleute fallen. Ein Symbol, dass er sich nun ihnen anvertraut, sich in ihre Hände begibt.

Und dann wandert Moritz Fremd Maurer FSB los, begleitet von Altgesellen Maximilian und den übrigen Wandergesellen. Sein Altgeselle wird ihn auch während der Losgehzeit drei Monate lang begleiten. „Das ist so etwas wie eine Probezeit.“, schildert Maximilian. Er werde Moritz während der ersten Zeit zur Seite stehen, ihm Tipps geben, wie eine Unterkunft zu finden ist, helfen, sich zurecht zu finden, Erfahrungen zu sammeln.

Auf die Walz gehen, das interessierte Moritz Neß schon lange. 2015 beendet er die Maurerlehre in Haldensleben, arbeitete dann auf Montage. „Das Problem war, ich war zwar in vielen Orten, habe aber kaum etwas davon gesehen“, sagt er im Volkstimme-Gespräch. Auch war die Arbeit ähnlich.

Von der Walz verspricht er sich, dass er in vielen Betrieben unterschiedliche Herangehensweisen an die Arbeit mit verschiedenen Materialen kennenlernen, viel von der Welt sehen und aufgeschlossene Menschen treffen wird.

Kontakt zu Wandergesellen zu bekommen, war aber zunächst gar nicht so einfach, erinnerte sich Moritz. Den Stein ins Rollen brachte sein Vater, der in Gardelegen Wandergesellen traf und sie zu sich nach Hause zum Essen einlud.

Es waren Angehörige des Freien Begegnungsschachtes. Von ihnen erfuhr Moritz eine Menge über die Walz und den FSB. Über das Internet informierte er sich weiter, fuhr zu zahlreichen Treffen der Wandergesellen.

Bei einem lernte er Maximilian kennen, der bereits seit drei Jahren und knapp drei Monaten unterwegs ist. Weil die Chemie stimmte, wählte Moritz ihn als Altgesellen aus. Im Oktober vorigen Jahres besuchte der die Familie in Gardelegen, um sich ein Bild zu machen. „Wir müssen klären, warum jemand auf die Walz geht, ob es vielleicht auch eine Flucht ist“, erklärt Max, der aus Mittweida bei Chemnitz stammt. Zudem muss der Wanderbursche schuldenfrei sein und alles geregelt haben, bevor es losgeht, denn „wer noch Ungeregeltes zu Hause lässt, hat den Kopf nicht frei.“

Um den Kopf auch in den ersten drei Monaten der Wanderschaft freizubehalten, nehmen die Wandergesellen so lange auch keinen Kontakt zu ihren Familien auf. Nur so könne man sich auf die neue Situation besinnen.

Moritz Fremd Maurer FSB geht am Montag los, mit Freude auf das, was vor ihm liegt, aber auch mit einem „mulmigen Gefühl“, wie er sagt. Schließlich wisse er am Morgen nicht, wo er am Abend schlafen wird.

In den kommenden Jahren wird er auch auf die Unterstützung seiner Mitmenschen angewiesen sein. „Eine Regel bei uns ist nämlich auch, dass wir kein Geld für Unterkunft und Fortbewegung ausgeben. Per Anhalter mitfahren ist aber okay“, sagt Altgeselle Moritz und appelliert an die Mitmenschen, den Gesellen in der Kluft aufgeschlossen gegenüber zu treten, denn: „Wer die Kluft trägt, weiß, wie man sich zu benehmen hat.“