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Hospizdienst Zuhören ist wichtiger als Reden

Sie ist eine Besucherin am Sterbebett, Gabriele Reinhard ist aber auch für die Lebenden da - beides ehrenamtlich und mit viel Herz.

Von Gesine Biermann 31.08.2016, 03:00

Letzlingen l Es grünt und blüht prachtvoll in ihrem Garten. Ihr Hund tobt fröhlich umher, Insekten summen, das Leben scheint ganz leicht zu sein. Auf der sonnenbeschienenen Terrasse hinter ihrem Häuschen geht es indes um ein ernstes Thema. Gabriele Reinhardt spricht über das Sterben. Ein Widerspruch ist das für die fröhliche Letzlingerin nicht. Seit rund einem Jahr arbeitet Reinhardt nämlich ehrenamtlich beim ambulanten Hospizdienst Gardelegen, ist für Menschen da, die in absehbarer Zeit sterben werden. Für sie und für ihre Angehörige.

Für letztere manchmal sogar ein bisschen mehr. Der Satz, den eine Ehefrau, die ihren sterbenden Mann zu Hause pflegte, erst kürzlich zu ihr sagte, zeigt das deutlich: „Immer wenn du da bist, fühle ich mich gleich viel ruhiger“, hatte die ihr versichert. „Eine schöne Erfahrung, auch für einen selbst“ sei das, weil man sehe, wie man helfen kann, sagt Gabriele Reinhardt.

Doch wie kommt man eigentlich darauf, sich für ein solches Ehrenamt zu interessieren?
Für sie habe es mit einem Artikel in der Volksstimme begonnen, erzählt Gabriele Reinhardt. „Ich habe damals für mich etwas gesucht, wo ich tätig werden kann.“ Ihr Arbeitsleben hat die Letzlingerin hinter sich, die Kinder sind aus dem Haus. Zudem sei es gerade eine Zeit gewesen, in der auch ihre Eltern sich Gedanken machten, wie sie mit schwerer Krankheit umgehen würden. In der Familie gab es Gespräche über das Thema. Dadurch sei sie auf den ambulanten Hospizdienst in Gardelegen aufmerksam geworden und hatte sich kurzentschlossen zu einem Kurs für ehrenamtliche Hospizhelfer angemeldet. Übrigens ganz unverbindlich, „denn man kann einfach mitmachen und muss erst am Ende entscheiden, ob man weitermachen möchte“.

Nach elf Abend- und zwei Tageskursen jeweils sonnabends, steht genau das für die Letzlingerin allerdings fest. Spätesten nach einem Praktikum im Stendaler Hospiz, zu dem der Gardeleger Hopizdienst gehört, weiß sie nämlich definitiv, dass sie die Richtige für diese Arbeit ist – und umgekehrt.

Es ist die Freundlichkeit, die liebevolle Art miteinander und mit den Patienten umzugehen, es ist sind die guten Gespräche, der Austausch mit den anderen Kursteilnehmern, es ist die Freude der beiden älteren Herren, die sie dann im Rahmen ihres Praktikums im Pfarrer-Franz-Heim in Gardelegen besucht – es sei alles so unkompliziert, sagt Gabriele Reinhardt: „Nichts ist starr. Jeder muss auch nur das leisten, was er sich zutraut.“

Dass das bei ihr persönlich eine ganze Menge ist, weiß sie mittlerweile: „Schon nach meinem allerersten Besuch kam ich nach Hause und hatte ein gutes Gefühl.“ Denn schnell merkt sie, wie glücklich sie den schwer kranken Mann macht, wenn sie ihm nur vorliest, wie erleichtert seine Ehefrau ist, wenn sie mit ihr spricht. Dabei sei „zuhören meist wichtiger als reden“, versichert sie. Zuhören, das heißt aber auch immer, zwischen den Zeilen zu lesen und darauf zu reagieren. Es gibt Familien, die das Thema Tod nicht totschweigen, die offen darüber sprechen, dass der eine bald nicht mehr da und der andere dann allein ist. Es gebe aber auch Menschen, die nicht darüber reden wollten.

Aber kann man denn überhaupt mit völlig Fremden über solche Themen sprechen? „Ich denke, dass man die Familie erst in dieser Situation kennenlernt, macht vieles sogar einfacher“, schätzt Gabriele Reinhardt ein. „Die Pflegenden sind ja meist zu Hause“, hätten deshalb eher wenig soziale Kontakte, „und die Nachbarn machen oft einen Bogen um sie sie, weil sie unsicher sind.“ Deshalb sei es oft leichter, mit Fremden zu reden.

Ob die jeweiligen Begleiter zu den betreuten Patienten und ihren Angehörigen passen könnten, schätzt übrigens Thomas Rehbein, Koordinator beim ambulanten Hospizdienst schon vorher ein wenig ein. Er vereinbart auch den ersten Termin, ist beim ersten Treffen dabei.

15 Mitarbeiter sind es derzeit im Gardeleger Bereich. Und obwohl es für manche immer noch eine Überwindung bedeute, die Leistungen des Hospizdienstes in Anspruch zu nehmen – Rehbein: „Viele denken wohl, dann gebe ich mich auf“ –, werde die Nachfrage nach Begleitung immer größer. Deshalb wird es demnächst auch einen neuen Kurs für ehrenamtliche Hospizhelfer geben.

Der endet im Idealfall mit einem Zertifikat – „natürlich ohne Prüfung“ – und der Chance auf neue Erfahrungen, verspricht Rehbein. Denn „es zeigt sich immer wieder, dass auch die Ehrenamtliche aus den Begleitungen für sich etwas gewinnen.“
Eine Infoveranstaltung zum neuen Kurs findet am Montag, 12. September, um 19 Uhr im Johanniterhaus Pfarrer Franz an der Thälmannstraße 4-6 statt. Anmeldungen sind per Telefon unter 03907/779 60 20 oder info@hospiz-gardelegen.de möglich