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Jugendhaus Heimleitung weist Vorwürfe zurück

Gegen Vorwürfe einiger Betreuter verwahren sich Träger und Heimleitung des Jugendhauses Polvitz. Zwei junge Frauen wurden entlassen.

Von Gesine Biermann 19.11.2017, 02:00

Polvitz/Gardelegen l „Wir arbeiten hier nach bestem Wissen und Gewissen und sind dafür hoch anerkannt im Land“, sagt Ralf Böse. Der Geschäftsführer des Gardeleger Jugendförderungszentrums als Träger des Jugendhauses Polvitz und Andrea Herms als pädagogische Leiterin des Hauses haben um ein Gespräch mit der Volksstimme gebeten. Anlass sind die Vorwürfe, die junge alleinerziehende Mütter kürzlich gegen das Haus erhoben hatten. Die Frauen zwischen 23 und 27 Jahren bemängelten zu wenig Unterstützung bei der Erziehungsarbeit, Gängelei und zum Beispiel auch, dass sie ohne ihr Einverständnis geduzt würden (wir berichteten). Herms und Böse wollen diese Punkte aufklären, werben auch um Verständnis für ihr sehr sensibles Aufgabenfeld. Zwar seien die Frauen alle geduzt worden, aber nur mit ihrem Einverständnis, versichert Andrea Herms. Das entspreche eigentlich auch nicht ihrer Vorstellung. Seit Anfang des Jahres würden nun auf ihre Anweisung deshalb alle volljährigen Bewohner mit Sie angesprochen. „Nur zwei der Mütter waren schon länger da“, deshalb habe man das in ihrem Fall so belassen, erklärt sie.

Und auch einen weiteren Vorwurf weist Herms zurück. So habe es keinesfalls „sinnlose Strafen“ gegeben, auch nicht, wenn eine der Frauen vor der Tür geraucht habe. Die Raucherinsel am äußersten Ende des Parkes sei ohnehin schon ein Zugeständnis, ergänzt Böse. Eigentlich gelte auf dem gesamten Gelände Rauchverbot. „Das Rauchen ist ein generelles Problem“, so Böse. Der lange Weg zur Raucherinsel als „kleine Hürde“ finde sie persönlich deshalb auch nicht so schlimm, macht Herms deutlich.

Doch dass die Frauen danach nicht mehr ins Haus zurück können, ohne klingeln zu müssen, sei ein Vorwurf, über den man in der Einrichtung noch mal nachdenken werde, räumt sie ein. Dass keine der Frauen einen eigenen Haustürschlüssel hat, sei zwar allein dem Sicherheitsgedanken geschuldet, aber der Aspekt werde noch einmal besprochen. Und auch generell werde man über die Vorwürfe, die die Frauen erhoben, noch einmal reden, versichert Herms. Vielleicht sei man sich auch nicht so ganz bewusst gewesen, dass es ja erwachsene Menschen seien, die seit einigen Jahren im Mutter-Kind-Bereich betreut werden.

Besonders enttäuscht sei man im gesamten Team aber darüber gewesen, dass einigen Mitarbeitern ein rüder Ton und „Machtspielchen“ nachgesagt werden. Davon könne keine Rede sein, betont Herms. Sie könne nicht ausschließen, dass Mitarbeiter mal energisch seien, und in der jüngsten Zeit habe es auch personelle Engpässe gegeben, räumt sie ein. Aber die Kommunikation im Haus sei vertrauensvoll und offen. Gerade den alleinerziehenden Müttern werde sehr viel abgenommen, täglich gebe es Angebote auf Hilfestellung „und sie dürfen auch alle regelmäßig nach Hause fahren.“

Nach Hause fahren durften wenige Tage nach Erscheinen des Artikels in der Volksstimme auch zwei der jungen Mütter. Beide wurden nach einem Gespräch aus der Einrichtung entlassen – einvernehmlich, wie Ralf Böse und Andrea Herms betonen und das Jugendamt auf Nachfrage bekräftigt. Das sei in einem Gespräch mit den Frauen festgelegt worden.

Ihr sei gesagt worden, sie „hätte ja längst gehen können“, beschreibt eine von ihnen das Gespräch im Jugendhaus. Die andere der beiden sollte zwar eigentlich noch nicht entlassen werden – dafür fehlte nach Aussagen von Andrea Herms noch die Fortschreibung eines gerichtlichen Familiengutachten im Auftrag des Jugendamtes, das offenbar aus Zeitgründen noch nicht erstellt worden war. Nach dem Volksstimme-Artikel durfte sie nun allerdings auch nicht mehr bleiben. „Das Vertrauensverhältnis mit ihr ist nachhaltig gestört“, erklärt Ralf Böse. Das Heim habe deshalb die Hilfe für sie beendet und damit letztendlich auch ihrem Wunsch entsprochen.

Und den habe sie tatsächlich gehabt, denn niemand habe ihr sagen können, wann sie überhaupt ausziehen dürfe, erzählt die junge Mama auf Nachfrage. Es habe keine Zeitschiene, kein Ziel gegeben. Der Auszug selbst, gleich nach dem Gespräch mit Jugendamt und Heimleitung, kam dann allerdings doch schon ziemlich plötzlich für die Mutter von drei Kindern, die seit mehr als einem Jahr in Polvitz betreut wird. Denn ihre Wohnung hatte sie bei ihrem Einzug aufgeben müssen: „Sie haben mir gesagt, dass sie mir nicht mehr trauen können und ich sie verletzt habe. Sie wollten, das ich am selben Tag noch ausziehe“, erzählt sie. Kurz darauf habe sie ihre und die Sachen ihrer drei Kinder zusammenpacken müssen. „Dann habe ich meine Eltern angerufen und abgeklärt, ob ich vorübergehend mit den Kindern bei ihnen wohnen kann“, erzählt sie (siehe Artikel unten).

Eine weitere Mutter hatte sich trotz der Vorwürfe gegen die Einrichtung dafür entschieden, zu bleiben. Das bestätigt sie auf Nachfrage auch ganz klar. Seither, lobt die 27-Jährige, sei der Ton ihr gegenüber „sehr nett und höflich“, was sie sehr freue.