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Kastration Leid und Elend der Straßenkatzen

Gardelegen will das Elend und Leid herumstreunender Katzen eindämmen. Und geht dabei zumindest in der Altmark neue Wege.

Von Cornelia Ahlfeld 04.08.2020, 01:01

Gardelegen l Eine Katze wird zwischen dem vierten und zwölften Monat erstmals rollig. Das heißt, sie ist geschlechtsreif. Zweimal im Jahr ist das der Fall. Durchschnittlich fünf bis sechs Katzenbabys sind es pro Wurf. Man kann sich also unschwer ausrechnen, wie viele Katzen ein einziges Muttertier pro Jahr zur Welt bringt. Eine Folge: unzählige herrenlose Straßenkatzen.

Schätzungen von Tierschutzorganisationen gehen von mindestens drei Millionen Tieren in Deutschland aus. Zumeist sind Straßenkatzen abgemagert und krank, auch die Muttertiere. Die Jungtiere hungern ebenfalls, sind oft schon mit der Geburt krank und extrem scheu. „Straßenkatzen haben in der Regel keine guten Erfahrungen mit Menschen gemacht. Sie werden verjagt, mit Luftgewehren beschossen, ertränkt“, weiß Gisela Kürten vom Tierschutzverein Gardelegen.

Die Tiere führen ein elendes Dasein, müssten jeden Tag ums Überleben kämpfen. „Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Straßenkatze beträgt zwei Jahre“,so Kürten. Im Normalfall können es 15 Jahre und mehr sein.

Erst am letzten Juli-Wochenende habe es wieder ein tragisches und trauriges Ereignis geben. Die Tierschützer seien zu einer angefahrenen Katze gerufen worden. „Eine Streunerin, abgemagert und voller Parasiten“, schildert Kürten. Bei der tierärztlichen Untersuchung habe sich gezeigt, dass der Analbereich sowie der Enddarm massenhaft mit Maden befallen und teilweise schon zerfressen war.

„Die Katze musste eingeschläfert werden. Wäre sie nicht gefunden worden, hätten die Maden sie buchstäblich bei lebendigem Leib aufgefressen“, so Kürten. Ein Schicksal, das viele Straßenkatzen erfahren müssen.

Diese Tiere ins Tierheim zu bringen, sei keine Lösung. Denn für Streunerkatzen sei der Aufenthalt in geschlossenen Räumen eine Qual. Vermitteln könne man sie auch nicht, denn sie bleiben immer scheu, so Kürten.

Der Grund für die Situation liege oft bei Katzenhaltern, die ihre Tiere nicht kastrieren lassen, denn das wäre die Lösung für das Problem.

„Wir brauchen dringend ein bundesweites Konzept zur Eindämmung der unkontrollierten Vermehrung der Straßenkatzen“, fordert Kürten, denn mittlerweile sei das auch in Gardelegen ein Problem.

Der Tierschutzverein Gardelegen spreche sich von daher für eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle privaten Freigängerkatzen aus. Ein weiterer Punkt wäre die Einrichtung von Futterstellen an Schwerpunktbereichen. In Gardelegen seien das unter anderem der Langförderweg, Schlüsselkorb, an der Nachtweide, Rottweg, Goethestraße und Kleingartenanlagen. Dort könnten Streunerkatzen eingefangen und zum Tierarzt gebracht werden.

Der Tierschutzverein würde Lebendfallen zur Verfügung stellen. Es wäre wünschenswert, wenn sich daran auch die Bürger finanziell beteiligen würden. „Wir können die Flut von Kastrationen finanziell nicht allein bewältigen“, betont Kürten.

Zurzeit werde die Problematik in den Kommunen völlig unterschiedlich gehandhabt. Es gebe Kommunen, die jede Hilfeleistung ablehnen würden, einige hätten sogar Fütterungsverbot erteilt. Andere würden das sogenannten Paderborner Modell befolgen, wo gemeinsam mit Tierschutzverein, Kreistierärzteschaft, Ordnungsamt und Veterinäramt Lösungsstrategien erarbeitet werden.

Das möchte auch die Gardelegener Stadtverwaltung. Denn aktuell steht in vielen Ortschaftsräten der Punkt Katzenschutzverordnung/Kastrationsverordnung auf der Tagesordnung. Die Anregung dafür komme vom Tierschutzverein, informiert Florian Kauer, in der Stadtverwaltung als Fachdienstleiter für allgemeine Gefahrenabwehr tätig, auf Volksstimme-Anfrage.

Es habe in der Vergangenheit schon etliche Fangaktionen an sogenannten Hotspots, also an Orten, wo zumeist Anwohner Streunerkatzen füttern, gegeben. „Die Tiere werden vom Tierarzt kastriert, bleiben 24 Stunden im Tierheim und werden dann wieder an den Orten ausgesetzt, wo sie eingefangen worden sind“, erläutert Kauer. Diese Katzen seien zudem mit einem Chip versehen worden.

Nun gebe es aber auch eine rechtliche Seite dabei mit Blick auf private Freigängerkatzen. „Wir wollen ja nicht den wertvollen Zuchtkater kastrieren lassen“, so Kauer. Denn dann könnte der Eigentümer die Stadt haftbar machen. „Und das wollen wir natürlich auch nicht“, betont Kauer.

Diese Fragen will die Verwaltung in einer Katzenschutzverordnung regeln. Dazu soll ein Versuchsgebiet ausgewiesen werden. Innerhalb einer bestimmten Frist müssten Katzenhalter dort ihre Tiere kennzeichnen lassen. So könne man bei der nächsten Fangaktion feststellen, ob es eine Straßenkatze ist oder nicht. In letzterem Fall würde man die Katze natürlich nicht zum Tierarzt bringen.

Die Fangaktionen sollen künftig ausschließlich unter der Regie des Tierheimes laufen mit personeller und finanzieller Unterstützung durch die Stadt. Im vorigen Jahr wurden 23 Streunerkatzen kastriert. Die Kosten dafür lagen bei 1700 Euro.

Nach der Sommerpause soll die Verordnung in den Fachausschüssen des Stadtrates diskutiert werden. „Es geht erst einmal um Meinungsbildung und Information“, betont Gardelegens Bürgermeisterin Mandy Schumacher.

„Wir hoffen sehr, dass der Stadtrat diese Problematik erkennt und wir zusammen zu einer Lösungsstrategie kommen“, macht Tierschützerin Gisela Kürten deutlich.