Konzert Macht, was ihr wollt!

Beim Grenzgänger-Konzert in der Hemstedter Kirche sang Pauline Spengler eigene Songs und Erinnerungen an die Zeit als Straßenmusiker.

Von Petra Hartmann 24.10.2018, 08:00

Hemstedt l „Oooooh – oh!“ Das ganze Kirchenschiff seufzt mit und zeigt sich erstaunlich textsicher, wenn Pauline Spengler die Geschichte ihrer großen Liebe besingt. Einfach nur „ooooh – oh“ als Refrain, „das war‘s schon“, kichert die Sängerin und legt schelmisch den Kopf schief. Wer da nicht mitsingt, geht vermutlich auch zum Lachen in den Keller.

„Grenzgänger“ lautet der Titel des Kleinkunstfestivals, zu dem das Konzert in der voll besetzten Hemstedter Kirche gehörte. Und Grenzgänger sind auch Sängerin Pauline Spengler, Gitarrist Georg Junge und Cajon-Spieler Martin Steinecke. Eigene Lieder, Charts, ein Song von Bosse, hier ein Ohrwurm aus alten Zeiten, dort ein Gedicht, das die Sängerin mit 13 Jahren verfasst hat und nun in der Vertonung durch Georg Junge zu neuem Leben erwachte. „Der Georg, der spielt die Lieder, die ich einfach nicht spielen kann.“ Das alles ein bisschen improvisiert, sprunghaft und unberechenbar. Ein Trio, das seine Karriere mit Straßenmusik begann und seine Wurzeln auch bei Rotlicht im Altarraum nicht verleugnet.

Spontan, sprunghaft und improvisiert – dass in diesem Konzert nichts nach festem Plan und in Stein gemeißeltem Programm verlief, wurde schnell klar. Da muss schon mal der Blick aufs Handy helfen, auf dem die Titelliste gespeichert ist, da der Papierausdruck zu Hause liegen geblieben ist. Und Pauline Spengler verlangte ihren beiden Begleitern durchaus einiges an Aufmerksamkeit ab, denn meist erfuhren sie erst aus der Anmoderation, was als nächstes gespielt werden sollte. „Ich habe da gerade eine Idee im Kopf ...“, meinte die Sängerin und erzählte los. Dann ging ein Aufleuchten über das Gesicht der beiden, sie nickten sich zu, und von der Bühne war ein leises „Ach so“ zu hören.

Das Ergebnis: Ein ungeheuer lebendiges, überraschendes und handgemachtes Live-Konzert, das den Charme eines spätsommerlichen Straßenfestes hatte, ein Abend zum Mitmachen, Mitsingen und Sich-überraschen-Lassen. Vor allem auch ein Abend mit sehr persönlichen Tönen, mit Mutmach-Liedern wie „Don‘t give up“ und vielen selbst geschriebenen Songs.

Pauline Spengler erinnerte ihre Zuhörer daran, „dass man das helle Licht nicht aus den Augen verlieren soll“ und dass man, „wenn einem das Leben Steine in den Weg schmeißt“, vieles durchstehen kann mit guten Freunden, die einem zuhören. Widerständige Töne aus ihrer Jugendzeit sang sie, aus einer Zeit, „wo ganz viele Leute geglaubt haben, mir etwas vorschreiben zu wollen“. Dem setzt sie nun entgegen: „Macht, was ihr wollt. Seid, wie ihr seid. Setzt eure Ideen durch. Achtet auf euch selbst und euer Leben und habt Spaß.“

Sie erzählte von ihrer ersten Lebenskrise „mit erwachsenen 13 Jahren“, der ersten Liebe und dem Widerstreit zwischen Kopf und Herz, bei dem der Kopf immer wieder sagt: „Nein, nein, nein, das tut dir doch nur weh.“Ein relativ neuer Song, gerade mal einen Monat alt, war ihrem Freund gewidmet und einem besonderen Abend: „Da habe ich zum ersten und einzigen Mal Alkohol getrunken und ich habe mich verliebt“, erzählte sie und sang: „Noch nie getrunken, alles rein, ich glaubte, das sollte so sein.“ Und das Publikum fiel volltönend ein: „Ooooh – oh.“