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Kultur Drei Autoladungen voll Kunst

Sandra Niebuhr aus Kloster Neuendorf wohnt mittlerweile in Holland. Für ihre erste Ausstellung kommt sie zurück in ihre Heimat.

Von Gesine Biermann 27.07.2017, 03:00

Kloster Neuendorf l Es gibt Menschen, die können tausend Dinge, und das auch noch gut. Sie gehört gewiss dazu: Sandra Niebuhr hat in Tangerhütte Abitur gemacht, dann eine Ausbildung zur Friseurin und zur Kosmetikerin, später in Holland Lehramt studiert, danach in Belgien Bildhauerei, sie arbeitet seit vielen Jahren als Lehrerin – Deutsch für Ausländer – in Tilburg und hat schließlich dort auch noch ein Philosophiestudium begonnen.

Ganz „nebenbei“ ist sie Mutter von zwei Töchtern (19 und 8 Jahre) und betreibt gemeinsam mit ihrem holländischen Ehemann, einem Hörgeräteakkustiker, ein Bed-and-Breakfast im holländischen Tilburg. Und wenn sie Zeit hat, dann steht die 45-Jährige dort auch noch in ihrem Atelier und verwandelt Materialien wie Ton, Gips, Gasbeton, Acryl oder Stein in wunderschöne Plastiken.

Und genau die werden ab Sonnabend im Kloster Neuendorfer Klostergarten zu sehen sein. „Meine erste Ausstellung“, verrät Sandra Niebuhr fröhlich. Und sie sei besonders glücklich darüber, dass sie „hier stattfindet, wo ich aufgewachsen bin“.

„Überredet“ hat sie dazu übrigens Pfarrer Jürgen Brilling. Der nämlich sei von ihren Werken auf den ersten Blick begeistert gewesen, erzählt ihre Mutter, Barbara Niebuhr aus Kloster Neuendorf. Und so holte die Tochter ihre Lieblingsstücke kurzerhand mit dem Auto in ihr Heimatdorf. „Drei Touren waren es schon“, sagt Sandra Niebuhr. 13 Skulpturen wird sie nun ab Sonnabend zeigen. „Sehnsucht“ heißen sie oder „Anfang“, abstrakte Stücke sind darunter, aber auch viele Büsten. Dabei ein Akt mit dem Titel „Schmunzeln“. Übrigens „nach einem lebenden Modell gefertigt“, verrät Sandra Niebuhr, nur das Gesicht mochte ich nicht“. Das sieht jetzt jemandem anderen ähnlich ...

Und auch ihre Töchter hat sie verewigt und Menschen, die sie beruflich kennengelernt hat: eine ihrer Schülerinnen zum Beispiel, die von den Antillen kommt, oder einen schwarzafrikanischen Freund in seiner Nationaltracht.

Manche Figur ist aber auch „nur“ ihrer Fantasie entsprungen. Die perfekte Schöne zum Beispiel, die sie „Perfektion in Imperfektion“ genannt hat, oder der bronzene heroische Charakterkopf einer Frau, die bezeichnenderweise „Seid bereit“ heißt und die schon beim ersten Blick verrät, wo Sandra Niebuhr aufgewachsen ist. „Nämlich in der DDR. Und das prägt nun mal“, sagt sie selbstbewusst, auch wenn es „das Land, in dem ich groß wurde, ja nun eigentlich nicht mehr gibt“.

Sie selbst verbindet aber viele schöne Erinnerungen mit ihrer Kindheit in Kloster Neuendorf, der Schule in Jävenitz, mit dem Elternhaus. Als ihr Vater, Tischlermeister Detlef Niebuhr, vor rund eineinhalb Jahren stirbt, ist das deshalb auch ein Einschnitt in ihrem persönlichen und ebenso in ihrem künstlerischen Leben. In der Zeit danach entstehen so berührende Plastiken wie „Trauer“ oder „Verloren“. Letztere die Skulptur einer sogenannten Kinderbraut, in weißem Brautkleid und mit unsagbar traurigen Augen. „Das Thema Kinderehen war damals gerade brandaktuell“, erinnert sich Sandra Niebuhr. Und das Schicksal der jungen Mädchen, die „schon teilweise mit fünf, sechs Jahren an einen erwachsenen Mann verheiratet werden“, habe sie besonders berührt. Als Lehrerin, auch von ausländischen Kindern, ist sie ohnehin sensibilisiert auf das Thema Flüchtlinge. In Holland, versichert Niebuhr, seien die insgesamt auch deutlich besser integriert, als in Deutschland. In ihrer Wahlheimatstadt Tilburg gibt es viele ausländische Menschen. In ihrem Freundeskreis ebenso. „Man muss viel tiefer sehen als auf die Haut“, sagt sie. Dann sei das Zusammenleben eigentlich ganz einfach.

Und deshalb freut sie auch schon auf die Menschen, die in ihre Ausstellung kommen werden, und auf die Gespräche mit ihnen bei der Vernissage im Klostergarten. Allerdings vertraut sie dabei auch ein bisschen auf die Anmoderation von Pfarrer Jürgen Brilling. Denn im Reden halten, vor so vielen Leuten, sei sie nicht so gut, gesteht Sandra Niebuhr lächelnd.

Aber wer will ihr das verdenken – einer Frau, die so vieles kann. Und das auch noch gut.

Die Vernissage der Ausstellung unter dem Titel „Lebenswege“ beginnt am Sonnabend, 29. Juli. Die Ausstellung kann bis zum 2. August im Klostergarten besichtigt werden.