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Landgericht Gardelegerin greift ihre Mutter an

Prozessauftakt am Landgericht in Stendal: Einer 52-jährigen Beschuldigten droht Unterbringung in der Psychiatrie.

Von Wolfgang Biermann 29.07.2016, 19:00

Stendal l Eine Frau ohne festen Wohnsitz aus Gardelegen im Zustand der Schuldunfähigkeit infolge paranoider Schizophrenie versucht haben, ihre 81-jährige Mutter mit einem Tritt auf den Kopf zu töten, „ohne Mörder zu sein“. Sie ist die Beschuldigte (nicht die Angeklagte) in einem Sicherungsverfahren. In einem solchen wird im Normalfall die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Aber die Frau wollte keinen Ausschluss, ihre Verteidigerin musste sich dem beugen.

Am 13. Februar dieses Jahres soll die Gardelegerin gewaltsam in die Wohnung ihrer Mutter eingedrungen sein, ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und die Geldbörse aus einem ihr bekannten Versteck genommen haben. Versuchten Totschlag, Raub und Sachbeschädigung wirft die Staatsanwaltschaft der 52-Jährigen in einem am gestrigen Donnerstag vor dem Landgericht Stendal begonnenen Sicherungsverfahren per sogenannter Antragsschrift vor. Sollte die 2. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler am Ende des Prozesses zu ebendieser Überzeugung kommen, droht der Beschuldigten die unbefristete Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses (Maßregelvollzug).

Schon am 1. September vorigen Jahres hat die 52-Jährige laut Staatsanwaltschaft aus Wut auf eine Friseurmeisterin, die angeblich ihre Tochter unberechtigt entlassen hat, die vier Reifen eines Mercedes mit einem Küchenmesser zerstochen und damit einen Schaden von rund 600 Euro verursacht. Dazu kommt, dass der Wagen gar nicht der Friseurmeisterin gehörte. Der Prozessauftakt gestaltete sich etwas schwierig und außerhalb der üblichen Norm. Die Beschuldigte, die am Tatabend erst in U-Haft kam und seit dem 19. Februar vorläufig in der Psychiatrie Uchtspringe untergebracht ist, bestritt die Tatvorwürfe, bis auf einen: das Zerstechen der Reifen. Die Friseurmeisterin habe ihr nicht sagen wollen, warum sie ihre Tochter entlassen habe. Deshalb hätte sie ein Küchenmesser genommen und – in der Annahme der Mercedes gehöre der Ex-Chefin ihrer Tochter – aus Wut die Reifen zerstochen.

Sie sprach etwas verwirrend von Intrigen gegen sie und von einer Vorverurteilung durch Gericht und Sachverständige. Überhaupt sei ihre Nationalität gar nicht geklärt. Richter Galler ließ sie weitgehend gewähren, zeigte ihr aber die vor Gericht geltenden Regeln auf und wirkte insgesamt beruhigend auf sie ein: „Ihnen will hier niemand was Böses.“ Bruchstückhaft kamen dann noch Angaben zum Geschehen am 13. Februar. Nach Version der 52-Jährigen will sie einen Bekannten per Handy-SMS um zehn Euro „für Zigaretten und Wasser“ angepumpt haben. Als Antwort soll über ihre Mutter gekommen sein, dass sie kein Geld bekommen würde, weil sie es ja sowieso in die Spielothek tragen würde. Weiter hätte sie „keine Erinnerung“, weil sie unter „Schock gestanden“ haben will.

Gegen mehrere, sie belastende Zeugen beantragte die 52-Jährige über ihre Verteidigerin Glaubwürdigkeitsgutachten. Darunter auch ihre eigene Mutter. Die 81-Jährige zog sich bei dem Geschehen laut Staatsanwaltschaft unter anderem einen Unterkieferbruch sowie eine Oberkörperprellung zu und befand sich deshalb für eine Woche in stationärer Behandlung. Als entscheidend für den Ausgang des Prozesses werden die Gutachten des Facharztes für Rechtsmedizin Knut Brandstädter und von Dr. Stephan Pecher (Facharzt für Psychiatrie) erachtet. Vier Tage hat das Landgericht für den Prozess bislang terminiert. Nach derzeitigem Stand wird am 16. August das Urteil erwartet.