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Lesung Vicky und ihr schmucker Kaiser

Sein Bild hängt im Letzlinger Schloss. Es ging aber nicht um ihn, sondern um sie: Victoria von Preußen, Frau Kaiser Friedrich III.

Von Gesine Biermann 06.06.2018, 03:00

Letzlingen l Zu einem „Tag auf Schloss Letzlingen“ laden die Altmark Festspiele ins Jagdschloss ein. Gleich zwei Veranstaltungen finden statt. Aber die erste ist dann doch ein wenig ungewöhnlich für die Gastgeber. Denn diesmal geht es nicht um klassische Musik, sondern um Prosa.

Und es geht um große Namen, und das schon zum Auftakt. Altmark-Festspielintendant Reinhard Seehafer zitiert Brecht: „Die im Dunkeln sieht man nicht.“ Schließlich, so Seehafer, „haben wir es heute mit einer Person zu tun, die nicht so bekannt ist.“

Für die junge Frau, die dann gut gelaunt in den Kaisersaal tritt, gilt das allerdings nicht. Denn Meike Droste hat als Schauspielerin in Deutschland ebenfalls einen großen Namen. Vielen ist sie zum Beispiel bekannt als Dorfpolizistin Bärbel Schmied aus der Fernsehserie „Mord mit Aussicht“. Sie soll nun in Letzlingen lesen.

Vergangene Nacht habe ihn jemand bei Facebook gefragt, „wie wir zu einer so wunderbaren Schauspielerin kommen“, verrät Seehafer augenzwinkernd. „Da hab ich geantwortet: Wir haben sie einfach gefragt. Und offensichtlich verträgt sie auch ein paar Tage Altmark.“

Und die Altmärker haben umgekehrt an ihr offensichtlich auch viel Vergnügen. Sie lauschen ihr nämlich hingebungsvoll an diesem Morgen. Das liegt wohl auch daran, dass ihre Stimme einfach perfekt zu dem passt, was sie vorliest - nämlich Auszüge aus dem Buch „Vicky: Kaiserin für 99 Tage - aus dem Leben der Victoria von Preußen“ von Friedrich Ludwig Müller.

Gemeinsam mit Meike Droste und ihrer ausdrucksstarken Stimme versinkt das Publikum schon bald im Leben der Kaiserin. Fast meint man, Victoria selbst durch die historischen Schlossräume laufen zu sehen. Auch wenn sie selbst nie hier war ... irgendwie hat sie es plötzlich wohl doch hierher nach Letzlingen geschafft ...

Amüsant und pointenreich beschreibt Meike Droste schon die Kindheit der kleinen englischen Prinzessin, mit den „lebhaften und tiefblauen Augen, voller Charme und Temperament, die die Gabe hatte, andere Menschen im Gespräch zu fesseln ...“, und auch das große Talent, „immer irgendwie in die Tinte zu kommen“. Vor allem als Resultat ihres Eigensinnes und der perfekten Flunkereien.

Droste erzählt aber auch von der Klugheit Victorias, die mehrere Sprachen spricht. Darunter auch Deutsch. Und so können die Gäste im Kaisersaal auch gut verstehen, dass sich Kronprinz Friedrich schon als 19-Jähriger in das kleine elfjährige Temperamentsbündel verliebt, das ihn 1851 in London persönlich durch die erste Weltausstellung führt ...

Auch wenn 70 Minuten im echten Leben nicht ausreichen würden: Am Ende der Lesung haben dann wohl alle Besucher dank der lebhaften Kunst von Meike Droste das Gefühl, die junge Kaiserin gut zu kennen. Fast ist sie eine Freundin geworden.