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Motocross Nudelsonntage in der Rennsaison

Babett und Ralph Janecke aus Letzlingen sind bei jedem Rennen ihre Sohnes Eddie mit dabei.

Von Elke Weisbach 11.09.2019, 21:00

Letzlingen l Es war für sie ein Heimspiel. Die erfolgreichen Gespann-Fahrer des Motorsportclubs (MSC) Letzlingen, Eddie Janecke und Gordon Bothur, die in diesem Jahr den dritten Platz bei den internationalen Deutschen Meisterschaften belegten, lieferten am Vormittag beim Training nicht nur die beste Zeit im Heidedorf ab, sondern dominierten am Nachmittag auf heimischer Strecke das LVMX-Rennen (Seitenwagen) und fuhren konsequent den Sieg ein. Dabei wurden sie mit Argusaugen beobachtet, und zwar nicht nur von den zahlreichen jubelnden Fans.

„Ich habe immer Bauchschmerzen, wenn es soweit ist. Ich fahre mit, fixiere ihn vom Start an und lasse ihn nicht aus den Augen.“ Babett Janecke aus Letzlingen kann nicht anders. Wenn ihr Sohn Eddie und sein Beifahrer Gordon Bothur auf ihrem Gespann mit der Nummer 23 zum Start fahren, steht sie an der Strecke bereit und lässt sich durch nichts ablenken. „Ich kann nicht nicht da sein. Ich muss loslaufen können“, sagt sie.

Denn ungefährlich ist der Sport, den die beiden jungen Männer aus Letzlingen und Magdeburg mit Leidenschaft betreiben, nicht. Zum Glück ist noch nichts Schlimmeres passiert. Für Vater Ralph ist vor allem der Start der Moment, den er mit Argusaugen und gemischten Gefühlen beobachtet, wenn alle Gespanne eng nebeneinander stehen, die Motoren aufheulen und bei Startfreigabe gemeinsam nach vorn schießen, um die beste Ausgangsposition für das Rennen auf der Strecke zu erreichen. Ganz vorn ist natürlich optimal, so wie es in Letzlingen für das Team 23 war, als der MSC Letzlingen Gastgeber für Läufe zur Landesmeisterschaft und LVMX-Meisterschaft im Motocross war.

Motocross – das ist seit Jahrzehnten die Leidenschaft von Familie Janecke. Der 22-jährige Eddie konnte quasi gar nicht anders, als selbst ein Motocross-Fan zu werden und Rennen zu fahren. So sagt er laut Mutter Babett immer scherzhaft: „Ihr seid Schuld, ihr habt mich dahin geschleppt.“

Wie Vater Ralph erzählt, hat er selbst mit zwölf Jahren ein Plakat mit Ankündigung einer Motocross-Veranstaltung in Altmersleben in der Letzlinger Kaufhalle gesehen und war interessiert. Da wollte er hin. Danach war er fasziniert und infiziert mit dem Cross-Virus. Freunden von ihm ging es ebenso. Und so wurden alte Motorräder, wie Java und MZ, zu Cross-Maschinen umgebaut. Im Wald – erst im Schlosspark, dem sogenannten Busch, später zwischen der Theerhütter Straße und der heutigen B 71 – wurden Cross-Bahnen angelegt, alles per Hand und in zahlreichen Stunden harter Arbeit.

Dann das erste kleine Rennen. „Als Pokal gab es eine alte Wartburg-Radkappe“, erinnert sich Ralph Janecke schmunzelnd. Natürlich wurden auch die offiziellen Rennen besucht, so oft es ging. Entweder fuhren die Freunde mit ihren Mopeds und Motorrädern oder wurden von den Eltern gefahren. Altmersleben, Westeregeln, Westerhausen, Wriezen oder Teutschenthal – kein Weg war ihnen zu weit.

Ralph Janecke hat sich die Leidenschaft über die folgenden Jahrzehnte bewahrt, gehörte 1992 zu den Mitbegründern des MSC Letzlingen, dem er bis heute als Vorsitzender vorsteht. Babett Janecke, die aus Frankfurt/Oder stammt, kam mit 18 Jahren durch ihren ersten Freund mit Motocross in Berührung. Dieser fuhr Rennen – solo und auch Seitenwagen. Auf den verschiedenen Strecken lernte sie ihren späteren Mann kennen, sie wurden Freunde.

Die Frankfurter kamen in den Jahren 1993 und 1994 oft nach Letzlingen. 1995 wurde aus Freundschaft mehr. Babett zog ins Heidedorf, das mittlerweile ihr Zuhause geworden ist. Durch den Sport habe sie sofort Fuß gefasst. 1997 wurde Sohn Eddie geboren, der zu seinem dritten Geburtstag einen PW50 (Piwi) mit Seitenwagen bekam. Da konnte er noch nicht einmal Fahrrad fahren. Der Grundstock für seine heutige Karriere war gelegt.

Gut zwei Jahre später begann er zu trainieren. In der 50-ccm-Klasse wurde er 2005 – mit gerade mal acht Jahren – Landesmeister. Es folgte die 65-ccm-, 85-ccm- und 125-ccm-Klasse der Junioren. Dann war erst einmal Pause. Ende der neunten Klasse waren Bewerbungen, Schulabschluss und Ausbildung wichtiger.

Dennoch wollten die Eltern ihm den Spaß am Fahren nicht ganz nehmen und besorgten ihm eine 250er Maschine, mit der auf heimischer Strecke fahren konnte. Eddie probierte sich auch im Gespannfahren als Beifahrer aus, habe aber festgestellt, dass das nicht sein Ding ist. Er wollte fahren. Das erste Gespann erhielten sie vom Sportkollegen Ralf Simon, der sich mit Tobias Hötling aus Letzlingen stark dafür eingesetzt hat, dass die Jugend fahren kann.

Kurze Zeit später traf er Gordon Bothur, der ebenfalls schon erfolgreich Motocross in den Einzelklassen gefahren ist und den Eddie seit Jahren kennt, erzählt Babett Janecke. Aus einer Laune heraus habe er ihn gefragt: „Wollen wir nicht Seitenwagen fahren?“ Gordon wollte, und auch die Aufteilung auf dem Gespann, Eddie als Pilot und Gordon als Beifahrer, war von Anfang an klar.

2016 wurde das junge Team bei der Landesmeisterschaft Zweiter. Nun wurden größere Ziele ins Auge gefasst, ein neues Gespann gekauft und die entsprechenden Lizenzen beantragt und erworben: LVMX-Meisterschaft, Deutsche Meisterschaft und erste WM-Läufe in den vergangenen drei Jahren im In- und Ausland. Strecken bis zu 800 Kilometern sind keine Seltenheit. Das bedeutet für das Sidecarcross-Team Janecke/Bothur: von April bis Oktober an jedem Wochenende zu unterwegs sein, immer mit dem Wohnwagen, seit diesem Jahr zudem mit einem umgebauten Lkw. Das ist nur möglich durch die finanzielle und tatkräftige Unterstützung von Familie, Freunden und Sponsoren.

Das Team besteht aus zehn Leuten, die immer mitreisen - darunter auch Babett und Ralph Janecke. Freitags geht es meistens los und sonntags zurück. „Mein Urlaub besteht nur aus Freitagen und Montagen“, lacht Babett Janecke, aber das sei völlig in Ordnung. Man sei wie eine große Familie, jeder habe seine Aufgabe. Auch die Verpflegung sei geregelt, wobei der Speisenplan für das sonntägliche Mittagessen feststeht. „Von April bis Oktober gibt es am Sonntag immer Nudeln, wenn auch in verschiedenen Varianten“, erzählt Ralph Janecke mit einem Schmunzeln, denn die Kohlehydrate sind für Eddie und Gordon enorm wichtig – was tut man nicht alles für seine Kinder.