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Relegationsspiel Kein Fußball bis Sender 108

Malte Marten (9) aus Gardelegen schreibt an zwei Fernsehsender. Die strahlten ein Spiel seines Lieblingsfußballvereines nicht aus.

Von Gesine Biermann 10.06.2018, 09:00

Gardelegen l Das kann einem doch wirklich die Laune vermiesen: Da freut man sich schon die ganze Woche auf das entscheidende Spiel der Lieblingsmannschaft, sitzt pünktlich um 20.30 Uhr vor dem Fernseher, und dann sucht man die Übertragung vergebens. „Bis zum Sender 108 haben wir alles durchgedrückt“, sagt Malte. „Und? Nichts!“

Dabei war alles so gut vorbereitet. Der Zeitpunkt mitten in den Pfingstferien war einfach perfekt. Länger aufbleiben war also kein Problem. Schließlich ist Malte schon neun. Und auch seine Eltern, Ilka und Jörg Marten, hatten sich von ihrem kleinen Fan überzeugen lassen und waren extra pünktlich aus dem Urlaub losgefahren, um rechtzeitig wieder zu Hause zu sein. Am 17. Mai morgens hatte die ganze Familie nämlich noch an der Ostsee beim Frühstück gesessen.

Aber wenn der Lieblingsverein VfL Wolfsburg ein Relegationsspiel bestreiten muss, dann ist Dabeisein Pflicht, findet Malte. Immerhin ging es in dem Match gegen Holstein Kiel um den Klassenerhalt seiner Wölfe. Da ist Daumendrücken doppelt wichtig.

Und deshalb sitzt der Drittklässler denn auch fassungslos vor dem Bildschirm, als an diesem Abend eben kein Fußball läuft. Zumindest nicht sein Spiel. Nicht im Ersten, und nicht einmal beim NDR, obwohl beide Mannschaften aus Norddeutschland kommen.

„Er war wirklich enttäuscht“, erzählt Mama Ilka. Selbst, dass Papa das Spiel im Radio findet, es gemeinsam mit ihm hört, tröstet Malte nicht, und die Tatsache, dass seine Wölfe drei zu eins gewinnen, nur ein bisschen. Noch am nächsten Tag ist er grummelig. „Gar nicht mit anzusehen“, findet seine Mama, „und eigentlich waren wir ja auch die falsche Adresse für seine schlechte Laune.“ Und deshalb leitet sie seinen Ärger auch an die richtige um: „Schreib doch einfach mal an die Fernsehsender und beschwer dich“, rät sie Malte.

Und das tut der Drittklässler auch prompt. Selbstbewusst verfasst er einen sehr höflichen Brief an ARD und NDR und fragt nach, warum so ein wichtiges Spiel nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt wird. Er sei nämlich richtig sauer, schreibt Malte. So! Man möge ihm doch das mal bitte erklären.

Zwei Tage später liegt bereits ein Antwortschreiben im Kasten. Malte staunt nicht schlecht und liest der ganzen Familie die Antwort vom Norddeutschen Rundfunk vor: „Lieber Malte“, schreibt ihm Julian Polte vom NDR-Hörer- und Zuschauerservice, „wir verstehen deinen Unmut darüber, die Relegationsspiele nicht im öffentlich-rechtlichen Programm sehen zu können. Man sollte denken, dass ein solch wichtiges Spiel für Norddeutschland im NDR übertragen werden muss.“ Dafür jedoch, so erfährt Malte, benötigten Sender die Rechte, das Spiel überhaupt zeigen zu können. Und diese Erlaubnis „muss man sich für viel Geld kaufen“, erklärt ihm Julian Pohle. Die Rechtevergabe finde allerdings weit vor den Bundesligasaisons statt. „Sie hätten also schon zu einem Zeitpunkt erworben werden müssen, zu dem es noch gar nicht klar war, dass zwei norddeutsche Teams gegeneinander spielen.“

Dieses Mal sei es dem NDR zwar nicht gelungen, die Rechte für sich zu gewinnen, erklärt ihm der NDR-Mann weiter. „Wir werden aber weiterhin unser Bestes geben“, auch wenn der Sender natürlich sorgsam mit den Beiträgen der Zuschauer umgehen müssen, „und wir nicht alles für ein Fußballspiel ausgeben können.“

Das leuchtet schließlich selbst dem größten Fußballfan der Familie Marten ein. Und natürlich ist Malte auch stolz, dass ihm das Fernsehen so schnell geantwortet hat. Ein Brief von der ARD trifft nämlich zwei Tage später ein. Auch der mit netten Worten, samt dem Trostpflaster, dass sich die ARD immerhin die Rechte an der Fußball-WM sichern konnte. Und das freut den Neunjährigen schließlich besonders.

Dass sein Brief aber auch in Hamburg beim NDR und in München bei der ARD für viel Freude gesorgt hat, erzählen schließlich gestern die Verantwortlichen im Gespräch mit der Volksstimme. „Zwar gehen bei uns häufig Anfragen von Kindern ein“, sagt Marketingchefin Christina Dill vom NDR, „aber wenn die so süß formuliert sind, liest man sie natürlich besonders aufmerksam.“

Deshalb sei Maltes Schreiben auch extra an Julian Pohle zur Beantwortung übergeben worden. „Der ist nämlich auch noch sehr jung und Fußballfan“ und könne Malte deshalb besonders gut verstehen.

Eine „ganz große Ausnahme“ war Maltes Brief schließlich für die ARD, versichert Sabine Knoff, Leiterin der Zuschauerredaktion. „Nur noch zwei Prozent aller Einsendungen erreichen uns überhaupt per Brief.“ So ein handschriftlicher Text falle deshalb schon auf. Und damit Malte die Erklärung auch versteht, sei der Antwortbrief auch extra für ihn formuliert worden: „Wir haben bei uns in der Redaktion nämlich auch junge Eltern, die das prima können.“

Und Malte? Der ist nun ja auch Experte im Medienrecht und freut sich jetzt natürlich erstmal auf die WM im Fernsehen. Außerdem haben sich seine Wölfe in der ersten Liga gehalten, und sein zweiter Lieblingsverein, der FCM, ist sogar in die zweite Liga aufgestiegen. Alles gut also.

Ach so: Gelernt hat der Neunjährige natürlich auch noch was. Nämlich, dass Nachfragen nicht dümmer macht und besser ist, als sich nur zu ärgern, und so zu erfahren, dass auch Fernsehsender ihre Sorgen haben, und natürlich dass seine Mama sowieso die Klügste ist. Aber das wusste er eigentlich schon.