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Selbsthilfegruppe Gemeinsam auf dem Weg aus der Angst

„Wege aus der Angst“ heißt eine Selbsthilfegruppe in Gardelegen. Eine Gemeinschaft, die stärkt.

Von Petra Hartmann 02.08.2017, 23:00

Gardelegen l Angst hat viele Gesichter, und jeder hat sie schon kennen gelernt. Doch was, wenn die Angst zum alles beherrschenden Thema wird? Wenn Kindheitserlebnisse und Burnout-Erfahrungen, Depressionen und Panik einen Menschen vollkommen in der Hand haben, ihn hindern, am täglichen Leben teilzunehmen, ihn gar in den Selbstmord zu treiben drohen?

Am 5. Mai 2005 gründete sich die Gruppe. Initiatorin war Bärbel Köthke, die auch ein Buch über das Thema Ängste geschrieben hatte. Es gab viel Unterstützung, vor allem durch den sozialen Dienst, durch die Klinik in Uchspringe und auch durch das Rosencenter, wo sich die Mitglieder noch heute einmal im Monat treffen.

„Die Gruppe ist sehr familiär“, betont Sieghard Dutz, der vor zwei Jahren die Leitung übernommen hat. Gerade das Familiäre und Freundschaftliche sei besonders wichtig. Zwar gibt es das offizielle Programm mit Veranstaltungen wie Vorträgen von Ärzten, Apothekern oder Psycologen, mit Diskussionen oder Ausflügen. Daneben aber sind vor allem die kleinen Freundeskreise und Gesprächsrunden zu nennen, in denen eine Handvoll Mitglieder sich privat trifft und über ihre Probleme spricht. „Angst, Panik, Depression – das ist ja nur die Auswirkung, aber es hat ja einen Hintergrund“, sagt er.

Er selbst hat inzwischen gelernt, über seine Erkrankung und den Hintergrund sehr offen zu reden. Der ehemalige Streetworker, der Burnout erlitt, „weil ich allen und jedem helfen wollte“, war 1991 zum ersten Mal in der Klinik in Uchtspringe. Es waren Missbrauchserfahrungen aus seiner frühesten Kindheit, die plötzlich wieder nach oben drängten. Er verfiel in schwere Depressionen. Hinzu kam, dass er 1996 in seiner eigenen Wohnung überfallen wurde. Nichts, was man so leicht wieder wegsteckt. „Irgendwann hat der Körper gesagt: Jetzt ist Schluss. Ich habe dann angefangen, im Bett zu bleiben ...“ Aber viel ist schon gewonnen, wenn man sich mit der Angst bewusst auseinander setzt, sich selbst einschätzen lernt und im Ernstfall Freunde hat, die helfen: „Ich erkenne meine Krankheit und weiß, wie ich damit umgehen muss, wenn ich Hilfe brauche. Ich habe einen ganz tollen Freundeskreis, da kann ich auch nachts um 4 Uhr anrufen.“ Vor allem eines kann ein Erkrankter gar nicht gebrauchen: „Wenn die Leute sagen: Das schaffst du, beiß mal die Zähne zusammen.“ Nein, es ist nicht alles gut, und Zähne zusammenbeißen und es allein schaffen, genau das ist eben nicht möglich.

Die Gruppe ist offen für Neumitglieder. Mit den Interessenten führt Dutz im Vorfeld Gespräche, erzählt, was die Gruppe ist und wie sie arbeitet. Es gibt auch eine Sprechstunde für Angehörige und Interessierte. Drei Monate kann der Neueinsteiger sich dann umsehen und die anderen kennen lernen, bevor er entscheidet, ob er bleiben möchte. Es wird niemand gezwungen, über seine Erkrankung zu reden und sich zu öffnen. Wichtig ist jedoch, dass die Gruppe kein Ersatz für eine Therapie sein kann. Im Gespräch rät er den Interessenten also auch, erstmal eine Therapie zu machen.

Ein großer Schwerpunkt der Gruppenaktivitäten liegt trotz allem gerade nicht auf Veranstaltungen mit therapeutischen und medizinischen Themen. Lebensfreude und gemeinsame Erlebnisse sind fast noch wichtiger. Es gibt Ausflüge, Spiele, gemeinsame Essen und Kochtreffen. „Wir machen sehr viel unter dem Thema: Es gibt doch schöne Dinge im Leben“, sagt Dutz. Ein wichtigers Heilmittel gegen die Angst.

Das nächste Treffen: Freitag, 4. September, 14 Uhr im Rosentcenter. Es kommt Besuch von der Selbsthilfegruppe aus Stendal. Sieghard Dutz ist unter 0171/634 41 10 zu erreichen.