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Sprengung Wenn es in der Heide kracht

Auch noch Jahrzehnte nach der Übernahme, müssen die Experten in der Colbitz-Letzlinger Heide noch Fundmunition sprengen.

Von Gesine Biermann 01.12.2017, 22:00

Letzlingen l Wenn man sie so da liegen sieht, könnte man sie fast für eine alte rostige Konservendose halten. Doch das, was da aus dem Erdreich lugt, ist alles andere als harmlos. Das rostige Teil ist eine russische Panzergranate, Kaliber 85 mm. Die typische Munition eines russischen T34.

Das ist allerdings auch schon alles, was Hauptfeldwebel Robert Schmidt von dem Fundstück sagen kann. Wie alt sie ist, ob sie vielleicht noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammt oder doch nach dem Krieg von den sowjetischen Truppen während einer Übung verschossen wurde, all das verrät die Granate nicht. Und auch nicht, ob sie scharf ist oder nur eine Teerfüllung hat. Vielleicht ist sie also gar nicht gefährlich? „Kann alles sein“, sagt Schmidt. Eines ist aber auch sicher: Der Zünder ist nicht zu sehen. Und genau deshalb wurde die Granate, ebenso wie zwei weitere, die nicht weit von ihr entfernt in einem Graben liegen, als „nicht handhabungssicher eingeschätzt“, betont der Feuerwerker der Bundeswehr.

Und das wiederum bedeutet, dass sie nicht, wie üblich, zum Sprengplatz auf dem Gelände des Gefechtsübungszentrums gebracht werden darf. Die „Konservendose“ muss vor Ort gesprengt werden. Und das soll an diesem Tag noch passieren.

Was für ein riesiger logistischer Aufwand für eine solche Sprengung notwendig ist, wird schon auf dem Weg zum Munitionsfund klar. Überall stehen Streckenposten. Die Männer übrigens, die sonst mit einer Sonde nach Munition suchen. Immerhin 30 Mann stark ist die Truppe noch, die auch Jahrzehnte nach Übernahme des einstigen Wehrmachtsübungsgeländes und späteren Areals der sowjetischen Armee durch die Bundeswehr fast täglich auf dem Platz unterwegs ist.

Denn längst nicht alle Bereiche sind schon komplett beräumt, betont Presseoffizier Oberleutnant Alexander Helle. Immer noch finden sich Blindgänger. Allein in diesem Jahr waren es 140 Stück verschiedener Kaliber. Und deshalb wird auch weiterhin abgesucht. Aufgeteilt wird das Areal dabei in drei Kategorien. So sind alle Bereiche mit der Bezeichnung A bis in eine Tiefe von 2,50 Metern beräumt. Dort besteht keine Gefahr mehr. Bereiche mit der Bezeichnung C sind dagegen noch gar nicht beräumt. Der berühmte Lindenwald gehört zum Beispiel dazu. Aus Naturschutzgründen wurde der unberührt gelassen.

Ein großer Teil der Fläche gehört schließlich noch zur Kategorie B, das heißt, dass bis in eine Bodentiefe von 20 Zentimetern abgesucht wurde. Das reicht allerdings nicht aus, wenn in dem Bereich zum Beispiel Übungen geplant sind, betont Feuerwerker Robert Schmidt. Denn genau so wie auch die Steine auf landwirtschaftlichen Feldern durch Erdbewegungen nach oben wandern, gilt das auch für Munition. „Die Granaten wachsen also manchmal tatsächlich aus dem Boden“, sagt Alexander Helle. Was spaßig klingt, kann aber zur echten Gefahr werden, wenn zum Beispiel ein Panzer über eine solche Panzergranate fährt, wie sie neben Schmidt hier so harmlos im Erdreich stecken.

Und deshalb klebt auf allen drei Granaten an diesem Tag auch bereits ein kleines rosa Päckchen, gefüllt mit 500 Gramm PENT. Verbunden ist es mit einer Zündschnur. Deren notwendige Länge hat Robert Schmidt zuvor bereits anhand einer Brennprobe ermittelt. Die rund fünfeinhalb Meter Schnur geben ihm etwa elf Minuten Zeit, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Und zwar in tausend Meter Entfernung. „Das ist Vorschrift“, erklärt er. Denn die Splitter der Granate fliegen bei der Sprengung mit einer Geschwindigkeit von 9000 Metern pro Sekunde. Und die Richtung lässt sich eben nie genau vorhersagen.

Schmidt ist dann auch der letzte vor Ort. Denn erst, als sich alle anderen außerhalb der Gefahrenzonen befinden und er sich davon über Funk überzeugt hat, löst er die Sprengung aus. Drei Hornsignale informieren alle im weiten Umkreis vom Status seiner Arbeiten. Bei dreimaligem Signal ist nichts mehr rückgängig zu machen. Und dreimal hintereinander knallt es dann auch, zweimal ist Nebel zu sehen, die Granaten waren also mit einem solchen Zusatzstoff gefüllt, erläutert Schmidt. Und sie waren zudem alle drei scharf, betont der Experte. Gut also, dass sie gefunden wurden.