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Stadtrundgang Kleine Kanten - große Wirkung

Kleine Kanten haben manchmal große Auswirkung, vor allem auf die Mobilität von Menschen mit Rollatoren und in Rollstühlen.

Von Elke Weisbach 31.07.2019, 22:00

Gardelegen l Jens Schäpel von der Lebenshilfe in Gardelegen ist das, was man umgangssprachlich einen ordentlichen und starken Mann nennt. Und aus diesem Grund kommt er mit seinem Rollstuhl eigentlich auch überall entlang. Er habe sich über die Jahre, wie er erzählt, eine besondere Technik angeeignet, um kleinere Kanten, die es auch an Absenkungen im Straßenbereich gibt, zu überwinden. Das sei mit ordentlich Schwung und dem leichten Kippen des Rollstuhls nach hinten, so dass die vorderen kleinen Räder etwas angehoben werden, möglich. Er demonstriert seine Technik auf der Ernst-Thälmann-Straße in Gardelegen. Doch auch er stößt an Grenzen, wie ein besonderer Rundgang durch Gardelegens Innenstadt vor kurzem zeigte. Denn an der Kreuzung am Großen Hospital gibt es nicht nur eine ziemlich hohe Kante zum Gehweg. Die Gosse davor ist so tief, dass selbst Jens Schäpel mit viel Schwung nicht hoch kam, sondern regelrecht ausgebremst wird. Seine Fußrasten schaben auf dem Pflaster.

Wer für die Straße zuständig ist und ob dieses Problem behoben werden kann, will Steffi Schitteck nun prüfen. Die Teilhabemanagerin des Altmarkkreises Salzwedel und der Behindertenbeauftragte der Stadt Gardelegen, Peter Antoszewski, hatten vor einigen Tagen gemeinsam unter dem Motto „Teilhabebarrieren und Inklusion in der Einheitsgemeinde Hansestadt Gardelegen“ zum kleinen Stadtrundgang in Gardelegen eingeladen, um eben diese kleinen Barrieren aufzudecken. Und sie freuen sich, dass sich eine recht große Gruppe zusammengefunden hat. Dazu gehören neben Jens Schäpel auch noch Christian Helle von der Lebenshilfe, Nadine Arnold im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für die Pfeifferschen Stiftungen in Letzlingen, Karin Oelze vom Blinden- und Sehbehindertenverband, die Stadträte Gudrun Gerecke und Sieghard Dutz (Linke), Dirk Kuke (Freie Liste) und Stefanie Ahlfeld (AfD) sowie Anette Sell vom Gardelegener Bauamt.

Und die Barrieren lassen nicht lange auf sich warten. Bereits auf der Ernst-Thälmann-Straße, Gardelegens Einkaufsmeile, zeigt sich, dass selbst so kleine Kanten wie dort, die die Straße und den Gehweg voneinander abgrenzen, eine große Wirkung haben können. Denn selbst die drei Zentimeter reichen, um mit einem Rollator oder Rollstuhl ausgebremst zu werden. „Über höhere Borde kann man nur mit Hilfe gelangen“, sagt Schitteck. „Das ist manchmal eine ganz schöne Plackerei“, berichtet sie aus eigener Erfahrung. An der Thälmann-Straße könne man allerdings nicht so viel tun, weil die Straßengestaltung nach Auflagen des Denkmalschutzes erfolgte, erklärt dazu die Bauamtsmitarbeiterin. Ob es möglich sei, vielleicht in einigen Bereichen mit schräg angesetzten Schienen die Kanten abzumildern, wie vor Ort diskutiert wurde, müsse geprüft werden.

Weitere Punkte, die angesprochen und zum Teil in Augenschein genommen werden, sind unter anderem das Pflaster auf dem Gehweg an der Schillerstraße – das ist laut Schitteck die „reinste Buckelpiste“ –, eine nur über eine lange Treppe zu erreichende Hausarztpraxis an der Otto-Nuschke-Straße – hier soll Kontakt mit dem Vermieter, der Wohnungsbaugesellschaft (Wobau), aufgenommen werden –, die nicht ausreichende Schräge vom Tivoliplatz zum Wall hoch, ein fehlender, aber wohl notwendiger Fußgängerüberweg in Höhe der Lebenshilfe-Wäscherei an der Bismarker Straße sowie zwei Ampeln – eine an der sogenannten Postkreuzung sowie am Stendaler Tor –, die noch nicht mit einem akustischen Signal ausgestattet sind. Um die Ampeln will sich Schitteck als erstes kümmern. Zum Anfang nächsten Jahres will sie dann wieder eine Inklusionsveranstaltung anbieten und von den Ergebnissen berichten. „Wichtig ist“, so Schitteck, „die Menschen für das Thema immer wieder zu sensibilisieren und Behinderte in den Fokus zu rücken.“ Und Kleinigkeiten zu verbessern, seien zwar nur kleine Schritte, die aber das alltägliche Leben erleichtern können, damit die Behinderten ganz normal daran teilnehmen können. Dafür wird sich auch Peter Antoszewski weiter einsetzen, der bei der nächsten Sitzung des städtischen Bauausschusses die dringendsten Themen ansprechen möchte, wie er versichert.

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