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Heimat Einer, der nicht mehr weg will

Seit zweieinhalb Jahren lebt der Niedersachse Karl-Heinz List in Kalbe. Und der 77-Jährige sagt: "Hier will ich nicht mehr weg."

Von Cornelia Kaiser 19.10.2018, 06:00

Kalbe l „Es gibt kaum eine Ecke in Kalbe, wo ich noch nicht war. Und ich finde es hier recht schön. Aber am meisten“, sagt Karl-Heinz List, „gefallen mir die Menschen.“

Seit zweieinhalb Jahren ist der Mann, der sein Leben lang in Niedersachsen beheimatet war und dort zum Schluss im Raum Wittingen gelebt hatte, in der Milde-Stadt zu Hause. Denn er ist seit einem Schlaganfall körperlich gehandicapt und deshalb im Seniorenheim „Klein Sanssouci“, Haus I, untergebracht. Zwar hätte es sicher auch in seiner früheren Heimat einen Heimplatz gegeben, doch seien die Bedingungen in Kalbe einfach besser gewesen, sagt der 77-Jährige.

Trotz der Tatsache, dass er halbseitig Lähmungserscheinungen hat und deshalb auf den Rollstuhl angewiesen ist, ist er jeden Tag an der frischen Luft unterwegs. „Mindestens zweieinhalb Stunden“, sagt er. Und es vergehe eigentlich keine Rolli-Tour, bei der er nicht mit anderen Menschen ins Gespräch komme. „Ich bin ja ein oller Quasselkopp“, so List über List. „Und ich halte auch schon mal am Gartenzaun und spreche die Leute dann einfach an“, sagt er. Zurückweisung habe er dabei eigentlich noch nie erlebt.

„Ich finde, die Menschen sind hier sehr aufrichtig“, so der Wahl-Kalbenser. Und er kann sich da durchaus eine Meinung erlauben, nicht nur wegen seines Alters. Karl-Heinz List ist in seinem Berufsleben viel herumgekommen, hat im Außendienst viele Länder bereist und war auch innerhalb Deutschlands immer viel unterwegs.

In Kalbe, so sagt er, würden ihm sogar die Jugendlichen freundlich begegnen. Und sie würden helfen, wenn sie sehen würden, dass es irgendwo mit dem Rollstuhl klemme. Denn das, so Karl-Heinz List, sei in Kalbe leider gar nicht so selten der Fall. Es gebe viele Bereiche, die nicht gerade behindertengerecht gestaltet seien. „Und ich lehne es eigentlich ab, mit meinem Rollstuhl auf der Straße zu fahren.“ Mitunter bleibe aber gar nichts anderes übrig, sagt der Senior.

Sogar Bürgermeister Karsten Ruth, der ab und an im Heim zu Besuch sei, spreche er im Bedarfsfall an, wenn ihm etwas im Stadtbild auffalle, erzählt der 77-Jährige. Und er habe dann auch schon feststellen dürfen, dass etwaige Probleme unmittelbar danach behoben gewesen seien. Aber bei schlechten Gehwegen und Bordsteinen lasse sich das natürlich nicht auf die Schnelle umsetzen. Das sei ihm schon bewusst, sagt Karl-Heinz List.

Große Stücke hält er auch auf das Team des Seniorenheims und auf dessen Chef Melchior Boshamer. Wenn sich die beiden Männer auf den Fluren über den Weg laufen beziehungsweise fahren, dann wechseln sie auch immer ein paar Worte. Mitunter erzählen sie sich sogar die neuesten Witze.

Und das im Heim tatsächlich auf individuelle Lebenssituationen und Wünsche eingegangen wird, das hat Karl-Heinz List gerade wieder selbst erfahren dürfen. Er hat sich nämlich in seinem neuen Zuhause neu verliebt. In eine Mitbewohnerin. Die beiden kennen sich seit mehreren Monaten. Vor kurzem sind sie zusammengezogen und bewohnen jetzt gemeinsam ein Doppelzimmer. Die Heimleitung sei ihrem Wunsch nach Zweisamkeit sehr gern nachgekommen, berichtet Karl-Heinz List.

Er fühlt sich in Kalbe so wohl, dass er sagt: „Hier will ich nicht mehr weg.“ Und wenn ihn irgendwann der liebe Gott zu sich holt, dann möchte der Vielgereiste sogar auf dem Kalbenser Friedhof beerdigt werden. Nirgendwo anders.