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Verurteilung Schnapsklau und Fingerpilz

Drei Monate Freiheitsstrafe bekam ein Gardeleger, weil er eine Flasche Schnaps geklaut hatte. Er hatte ein Messer dabei.

Von Ilka Marten 11.11.2016, 02:00

Gardelegen l Selbst die Staatsanwältin war am Ende ratlos. „Ich weiß nicht, was in Ihrem Fall das Richtige ist.“ Angeklagt war ein 61-jähriger Gardeleger wegen Diebstahls mit Waffen. Die Erklärung für diesen schweren Straftatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden muss: Der Mann hatte bei einem Diebstahl ein Messer dabei. Die Tat gab er auch zu und erzählte dann, warum er gestohlen und warum er das Messer bei sich gehabt hatte.

Am 18. April hatte der Mann in einem Gardeleger Einkaufsmarkt eine Flasche Korn für 4,99 Euro gestohlen, in dem er sie in seine zugeknöpfte Jacke gesteckt hatte. Als die Polizisten ihn dann aufforderten, seine Taschen zu leeren, holte er auch ein Messer mit einer 5,5 Zentimeter langen Klinge hervor. Ein Taschenmesser. „Ein ganz normales, das an jedes Schlüsselbund gehört“, so der Angeklagte. Und er betonte: „Ich habe niemals in dem Laden die Waffe aus der Hosentasche geholt.“ Doch trotzdem handelte es sich damit um keinen einfachen Diebstahl, sondern einen Diebstahl mit Waffen.

Auf die Frage, warum er denn den Alkohol gestohlen habe, erfuhr das Gericht die langjährige Krankengeschichte des Mannes. „Den Schnaps habe ich geklaut, damit ich nachts trotz meiner Schmerzen schlafen kann“, so der 61-Jährige. Drei Wochen vor dem Diebstahl hatte der Mann eine Krebs-Operation – und eigentlich auch eine Chemotherapie im Anschluss. Doch die hatte er gar nicht angetreten, die Überweisung hatte er im Gerichtssaal dabei.

Weil er nach der Operation für rund zwei Wochen das Krankenhaustagegeld zahlen musste, „hatte ich kein Geld mehr für meine Medikamente“. Richter Axel Bormann überreichte er seinen Arztbericht aus dem Frühjahr. Sein Hausarzt würde eigentlich schon auf ihn warten, „aber da gehe ich nicht hin, ich habe ja eh kein Geld für die Medikamente“.

Die Staatsanwältin hakte dort ein: „Sie rennen vorm Arzt weg? Wie lange wollen Sie noch leben?“ Und der Richter fragte: „Möchten Sie nicht mehr leben?“ Die Antwort des Gardelegers: „Ja.“ Er solle über eine Betreuung im Rahmen der Gesundheitsvorsorge nachdenken. Die Reaktion des Angeklagten: „Falls ich nicht eingesperrt werde, mache ich das.“

Für das Messer hatte er dann auch eine Erklärung: Das habe er immer in der Hosentasche, weil er keine Zähne mehr habe und sich sein Essen kleinschneiden müsse. Und dann fügte er hinzu, was den Richter aufhorchen ließ: Er habe ja einen nicht ausgeheilten Fingerpilz. In einem Einkaufsmarkt dürfe er deswegen nur noch mit Handschuhen einkaufen, in einem anderen werde er gar nicht bedient. Der Richter, der wenige Minuten zuvor vom Angeklagten ein Blatt Papier überreicht bekommen hatte, unterbrach daraufhin die Sitzung, um sich seine Hände zu desinfizieren.

Die Staatsanwältin beantragte eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Dem Mann soll ein Bewährungshelfer an die Seite gestellt werden. Es sei ein Diebstahl mit Waffen, „da beißt die Maus keinen Faden ab“. Sie könne die Einwände des Angeklagten bezüglich des Messers verstehen, aber so eine Waffe sei eine zusätzliche potenzielle Gefahr, dass so eine Situation eskalieren könnte.

In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung zeigte sich der 61-Jährige einsichtig: „Es tut mir leid, dass ich das gemacht habe.“ Der Richter folgte dem Strafantrag der Staatsanwältin. „Geklaut haben Sie. Und Sie hatte eine kleine Waffe dabei“, so der Richter. Zwei Jahre schwebe mit der Bewährung nun das Damoklesschwert über dem Gardeleger.