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Welthundetag Gassipflicht oder Hundeschein?

Zweimal täglich mit dem Hund spazieren - das will die Landwirtschaftsministerin festlegen. Betroffene erzählen, wie sie dazu stehen.

04.10.2020, 07:30

Gardelegen l Der 4. Oktober ist Welttierschutztag, an dem die Rechte von Tieren – insbesondere von Haustieren – mehr in den Mittelpunkt rücken sollen. In Deutschland liegt das jüngste größere Tierschutzthema allerdings schon etwas mehr als einen Monat zurück: Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) forderte Mitte August die sogenannte „Gassi-Pflicht“ – ein Vorschlag, der in Gardelegen nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Dass er wirklich umgesetzt werden kann, daran bestehen allerdings Zweifel.

Zunächst eine kleine Begriffsklärung: Der Vorschlag wird zwar gerne als „Gassi-Pflicht“ zusammengefasst. Ganz zutreffend ist er aber nicht. Zum einen sollen damit verschiedene Teile der Tierschutz-Hundeverordnung erweitert werden, zum Beispiel soll die Anbindehaltung – ein Beispiel wäre der klassische „Kettenhund“ – verboten werden, während sie zurzeit noch unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist. Gassi gehen wäre außerdem keine Pflicht, solange Hunde auf andere Art mindestens zwei Stunden Auslauf pro Tag erhalten – etwa im Garten oder auf dem Hof. Eine Neubauwohnung bietet solche Möglichkeiten natürlich nicht. Hier hätten Besitzer tatsächlich die Verpflichtung, zweimal am Tag mit dem Vierbeiner spazieren zu gehen.

„Ich find’s dummes Zeug“, sagt dazu etwa Meike Langsdorf im Volksstimme-Gespräch, als sie gestern mit Ehemann Martin und Labrador-Mischling Elli auf dem Markt unterwegs war. Selbst wären sie wohl nicht betroffen, da ihre Hündin viel im eigenen Garten und mit den beiden unterwegs ist.

Ähnlich sieht es bei Christine Leubeling und Hund Mowgli aus: „Ich überschreite die Zeit sowieso, weil ich mit ihm ständig unterwegs bin.“ Das hat hier auch berufliche Gründe, denn für die Sozialpädagogin öffnet Mowgli „Türen und Herzen.“ Gegen die Gassipflicht hat sie trotzdem nichts, denn „das Bedürfnis der Tiere ist es, rauszukommen.“

Ein anderer Hundehalter, der anonym bleiben möchte, meint: „Das muss Pflicht sein, dass man auch mal mit dem Hund spazieren geht.“ Und nicht nur das, denn „es sollte vielleicht kontrolliert werden, wer Hunde hält.“

Kontrolle ist ein wichtiges Stichwort, auch in der Mini-Umfrage. Denn für die hat die Volksstimme Leute angesprochen, die mit ihren Hunden in der Stadt unterwegs waren – es liegt also nahe, dass sie die neue Mindestauslaufzeit ohnehin schon erfüllen. Leuten, die ihre Hunde den ganzen Tag in der Wohnung lassen, sieht man das nicht an.

„Wie will man das kontrollieren?“ merkt etwa Gisela Kürten vom Tierschutzverein Gardelegen an. Dieser Einwand ist wohl der häufigste zu den geplanten Änderungen. Im Tierheim bekommen die Hunde zwar regelmäßig Auslauf dank Mitarbeiter und Aushilfs-Gassigänger, wie Kürten schildert. Bei privaten Tierhaltern sei eine Ausgehverpflichtung aber nicht umsetzbar. Da Hunde je nach Rasse und Alter unterschiedliche Bedürfnisse haben, wäre eine pauschale Vorschrift von zwei Stunden ohnehin nicht sinnvoll.

Außerdem sei es damit allein nicht getan: „Auch ein Hund, der eine Stunde am Tag Gassi geht, aber 23 Stunden im Zwinger sitzt, ist ein unglücklicher Hund.“ Deswegen spricht sich Kürten eher für einen „Hundeführerschein“ aus. Dabei handelt es sich um einen Sachkundenachweis, der zum Beispiel in Niedersachsen und der Schweiz schon Pflicht ist und woanders vorerst freiwillig erworben werden kann – übrigens auch in Gardelegen.

Der theoretische Teil muss dabei schon vor Anschaffung eines Hundes erfüllt sein, der praktische bis zu einem Jahr danach. So soll sichergestellt werden, dass Hundehalter auch tatsächlich mit ihren Tieren umgehen können.

Mario Barnieck vom Hunde- sportverein hätte weder mit der Gassi-Pflicht noch dem Hundeführerschein ein großes Problem. Nicht umsonst bietet sein Verein schon die Prüfung für den freiwilligen Schein an. Dennoch sieht auch er Hürden in der Umsetzung – bei beiden Optionen. Ein „Vermehrer“ etwa – Züchter, die so viele Welpen wie möglich produzieren und ihre Tiere in schlechten Verhältnissen halten – würde wohl nicht viel Wert darauf legen, dass sich Käufer bei ihnen ausweisen. „Alle kann man nicht kriegen“, sagt er zur Umsetzung. Der Hundesportverein wäre aber ohnehin kaum betroffen, denn „wir machen mit den Hunden mehr.“

Wer sich für den Hundeführerschein interessiert, kann sich dafür beim Hundesportverein melden – unter der Handynummer 0172 / 2 84 10 08.