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Brieftauben-Sport Parchener sorgt für Furore

Mit seinen Brieftauben belegte Rolf Wille aus Parchen den 11. Platz bei den Deutschen Verbandsmeisterschaften.

Von Simone Pötschke 30.08.2015, 17:48

Parchen l Es ist Zeit zum Mittagessen, als es an der Tür von Rolf Wille klingelt. Der Fachmann ist wieder einmal gefragt. Einem Bekannten des Parcheners ist eine Taube zugeflogen. Jetzt wird sie, eingeschlagen in ein Netz, zum Taubenprofi gebracht. Der 75-Jährige lässt alles stehen und liegen und mustert die Ringe der Brieftauben einen kurzen Moment. Kein Zweifel: „Das ist eine Polin“, sagt er kurz und knapp. Jetzt bekommt die Durchreisende beste Verpflegung und dann kann sie wieder in Richtung Heimat durchstarten. So ist es üblich unter gestandenen Züchtern.

Rolf Wille ist nicht nur ein gestandener, sondern auch ein sehr erfolgreicher. Schnell hat der Handwerksmeister in seinem Büro einen dicken Ordner zur Hand, in dem er feinsäuberlich alle Ehrenurkunden und Auszeichnungen aufbewahrt, unter anderem war er Gewinner der Goldmedaille und der Silbermedaille der Reisevereinigung. Seinem schnellen Durchblättern merkt er mit einem charmanten Lächeln an: „Mein 11. Platz kommt also nicht von ungefähr.“

Ein Urteil, das sich der 75-Jährige nach über 50 Jahren Brieftaubenzucht erlauben kann.

Während heute Computer und Reisen als Anreiz für gute schulische Leistungen von den Eltern in Aussicht gestellt werden, waren es zu Zeiten Rolf Willes und seines Bruders Tauben. Sie galten sowohl als kleiner Luxus, als auch als eine Delikatesse auf dem kargen Speiseplan Ende der 1940er Jahre. Trotzdem gab es im heimischen Taubenschlag, erinnert sich Wille, um 1950 schon einen Mix an vielen Rassen. Strasser, Flüchter, alles sei dabei gewesen. Auch der Vater habe dazu beigetragen, indem er von beruflichen Touren in die Nachbardörfer Tiere mitbrachte. Dennoch blieben die Tauben in Obhut seiner Söhne. Mit einem Augenzwickern räumt der 75-Jährige dabei ein, dass sich eines in der Taubenzucht nie geändert habe. Das Säubern des Stalles bedeutet bis auf den heutigen Tag Stress. Doch das hinderte Rolf Wille nicht daran, seinen „Taubenweg“ zu gehen.

Während sein Bruder irgendwann die Freude und den Spaß an den Tauben verlor, entschied sich Rolf Wille 1964 nach der Armeezeit dafür, auf die eleganten, vornehmen Brieftauben umzusteigen. Tauben sollten ihn von nun an nicht mehr loslassen. „In Parchen gab es mit Eberhard (Harry) Schmidt, in Gladau mit Kurt Meier und Achim Fritze Züchter, die mir in der Brieftaubenzucht zur Seite standen und mich dafür begeistern konnten“, erzählt Rolf Wille.

Die Brieftaubenzüchter machen sich den Willen der kleinen Flieger zu Nutzen, bei Wertungsflügen so schnell wie möglich in den heimischen Schlag zu gelangen. So tut ein Züchter eine Menge für das „Heimweh“ seiner gefiederten Freunde.

Rolf Wille hat in über 50 Jahren ein sicheres Händchen unter Beweis gestellt, um seine Brieftauben fit für die Spitze, für die schnellsten Ankömmlinge, zu machen.

„Mit einem eigenen Stamm an Tieren hat es immer ganz gut geklappt“, stellt Wille zufrieden fest. „Wenn man allerdings ganz vorn mitmischen will, muss man mit den Tauben leben und jedes Tier kennen“, verrät Wille das Geheimnis seines langen Züchterdaseins. Ausschließlich gutes Futter, hin und wieder ein Leckerli wie Sonnenblumenkerne und Erdnüsse sollten unbedingt im Interesse der Leistungsfähigkeit auf dem Ernährungsplan der Brieftauben stehen.

Derzeit sind in dem Taubenschlag des Parcheners, der stets trocken und über eine Lüftung verfügen muss, 60 Brieftauben zuhause. 40 davon, schätzt der Züchter, sind fit für Wertungsflüge. Aus diesem Bestand musste Rolf Wille sechs Tiere bestimmen, die bei den insgesamt zwölf Wertungsflügen der Verbandsmeisterschaften starteten. Die drei Besten von ihnen wurden dann bewertet. „Man muss als Züchter die Tiere sehr gut kennen, die fitesten und gesündesten im richtigen Moment auswählen können. Im Jahr 2015 ging das gut für mich aus“, freut sich Wille.

Das Brieftaubenzucht-Hobby war Rolf Wille nie eine Ein-Mann-Veranstaltung. In den Jahren, als noch mit der Uhr die Ankunft gestoppt wurde, war die ganze Familie sonntags aufgeregt auf den Beinen, erzählt er. Heute, mit der elektronischen Zeitmessung könne man sich am Ankunftstag etwas vornehmen. „Doch die Neugier bleibt immer und man hört sich unter den Züchtern immer gleich um, wie der Flug gelaufen ist.“ Viele Jahre hat Wille auch mit seinem Sohn das Brieftauben-Hobby betrieben. Doch mit seinem Wegzug und seiner Berufstätigkeit war dies nicht mehr möglich. „Schade“, sagt der Senior. „Aber man sollte nicht die Hoffnung auf einen Neuanfang verlieren“, schiebt er nach.