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Flüchtlinge Erste Worte in fremden Zeichen

Erste Schritte in der deutschen Sprache machen Flüchtlinge in Genthin mithilfe von Ehrenamtlichen in der Stadt- und Kreisbibliothek.

Von Mike Fleske 25.10.2015, 14:11

Genthin l „Guten Tag, ich heiße Mohammad, komme aus Syrien und wohne in Genthin.“ Noch kommen die deutschen Worte mit einiger Schwierigkeit über die Lippen. Doch es sind erste Worte, die es ermöglichen Kontakte in Deutschland aufzunehmen. Mohammad ist nach einer langen Flucht vor dem Krieg in seiner Heimat nach Genthin gekommen. Dafür ist er dankbar.

„Hier ist es sicher und ich muss nicht um mein Leben fürchten“, sagt er auf Englisch. Noch ist sein Deutsch nicht so gut, dass er sich in der Sprache unterhalten möchte. Aber vielleicht bald. Denn Mohammad gehört zu den Flüchtlingen, die von Ehrenamtlichen in der Stadt- und Kreisbibliothek unterrichtet werden.

„Wir üben erste Worte und Phrasen, die im alltäglichen Umgang hilfreich sein können“, erläutert Beate Hertting, eine der ehrenamtlichen Helferinnen in der Bibliothek. „Manche Schüler können schon lateinische Buchstaben, andere wiederum nicht.“ So werde versucht jedem Einzelnen gerecht zu werden.

Unterstützt wird der Unterricht durch von den Ehrenamtlichen gestaltete Lernpakete. Diese enthalten einen Stift und einen Schreibblock für Notizen, sowie ein kleines Büchlein mit einem Grundwortschatz Deutsch, mit dem die im Kurs gelernten deutschen Verben nachgeschaut werden können.

Anschaulich sind in dem Buch gezeichnete Bilder des Alltags, Obst und Gemüse aber auch der menschliche Körper mit deutschen Wörtern benannt. Dadurch können die Flüchtlinge auch in Eigenregie üben. „Für uns ist das Lernpaket eine gute Hilfe“, findet Motee, der an diesem Tag eine Tasche mit den Lernutensilien bekommen hat.

Teil des Paketes ist auch ein Flyer mit Informationen über Genthin. Darin findet sich kurz und kompakt alles Wichtige für die ersten Tage der Flüchtlinge in der Stadt und Angebote der Freizeitgestaltung und Integration (Deutschkurs, Spielenachmittage oder Sportangebote).

In eine weiteren zweisprachige Handbroschüre (Deutsch/Arabisch) erfahren die Neuankömmlinge mehr über Lebensgewohnheiten in Deutschland wie in den Bereichen öffentliches Leben, persönliche Freiheiten, Zusammenleben, Gleichberechtigung, Essen und Trinken, Formalitäten und Erledigungen in der Verwaltung oder Notfälle (Download auf: www. refugeeguide.de). Eine Vervielfältigung der insgesamt 30 Seiten in größerer Stückzahl ist für die Ehrenamtler momentan finanziell jedoch nicht zu stemmen.

Der „Demokratie leben!“-Flyer wurde vom Lyriker Wahid Nader aus Magdeburg ins Arabische übersetzt, die Sparkasse Jerichower Land übernahm den Druckauftrag. Die Lernpakete sind Teil einer Aktion im Förderprogramm „Demokratie leben!“. Aus dem sogenannten Aktionsfonds für kleine Projekte, wurden die ersten 40 Lernpakete mit 400 Euro gefördert. Die ehrenamtlich betreuten Deutschkurse sind mittlerweile ein fester Anlaufpunkt für viele Zuwanderer. Es sei, so sagt einer der Teilnehmer, die erste Möglichkeit Kontakt zu Einheimischen aufnehmen zu können. „Das geht nur mit Sprache“, fügt er hinzu.

Die Nachfrage ist in den vergangenen Wochen gestiegen. Auch einige Flüchtlingskinder bekommen inzwischen spielerischen Deutschunterricht. Dabei hat sich die Bibliothek schnell auf die neuen Anforderungen noch weiterer Hilfesuchender eingestellt.

Mithilfe der des Verbundes der Freiwilligenagenturen Lagfa und dem Bibliotheksförderverein Jerichower Land wurden Lehrbücher zur Ausleihe angeschafft. Auch zweisprachige Kinderbücher sind im Bestand zu finden.

Mittlerweile haben sich auch weitere Genthiner als Helfer für den ehrenamtlichen Unterricht gemeldet, daher soll in absehbarer Zeit das Angebot erweitert werden.